Die Ära der Multiaufsichtsräte ist zu Ende: Was heute wirklich zählt

28. März. 2025 | Der Aufsichtsrats-Blog, Finanzinstitute, Kapitalgesellschaften

Es hat sich herumgesprochen: Die Ära der Vielmandatsträger im Aufsichtsrat neigt sich endgültig dem Ende zu. Stimmrechtsberater und Investoren setzen neue Maßstäbe, und Mandatsanhäufungen werden auf Hauptversammlungen nicht länger toleriert. Die Botschaft ist klar: Weniger Mandate, dafür mehr Qualität, Zeit und Engagement.

Doch wer glaubt, qualifizierte Aufsichtsräte zu finden sei einfach geworden, irrt sich. Die Ansprüche steigen rasant – und damit auch die Herausforderung, geeignete Kandidaten zu finden.

Netzwerk war gestern – gezielte Auswahl ist heute

Natürlich hat das Netzwerk lange Zeit bestens funktioniert. In früheren Jahrzehnten – manche erinnern sich – waren Aufsichtsräte oft Unternehmerpersönlichkeiten, die zahlreiche Mandate gleichzeitig innehatten. Dies war durchaus legitim: Ein Aktiengesetz mit klar definierten Pflichten und Haftungen war noch weit entfernt, unternehmerische Erfahrung reichte damals vollkommen aus.

Heute genügt diese Erfahrung alleine nicht mehr. Kandidaten müssen entweder bereits einschlägige Erfahrung als Aufsichtsrat haben oder eine fundierte Weiterbildung vorweisen können. Das ist inzwischen Standard und für professionell besetzte Gremien unverzichtbar.

Personalberatung – oft ohne Leidenschaft

Auch Personalberatungen werden häufig zur Mandatsbesetzung eingesetzt. Allerdings zeigt sich hier eine gewisse Ernüchterung: Viele Berater nehmen Aufsichtsratsbesetzungen eher routinemäßig wahr – es fehlt oft die nötige Begeisterung, die bei der Besetzung von Vorstandsposten selbstverständlich ist. Die meist überschaubaren Honorare für Aufsichtsratspositionen tragen ihren Teil dazu bei.

Doch es gibt auch Ausnahmen: In Frankfurt widmet sich beispielsweise ein spezialisierter Berater mit spürbarer Leidenschaft und echter Präzision der Aufsichtsratsbesetzung. Er ist ein Vorbild dafür, wie es gehen könnte – und eigentlich gehen sollte.

Digitale Datenbanken – gut gedacht, schwach umgesetzt

Der digitale Weg ist verlockend: Kandidatenprofile online filtern und per Klick den passenden Aufsichtsrat finden – die Idee klingt zeitgemäß und attraktiv. Doch wer genauer hinsieht, merkt schnell: Ein digitaler Lebenslauf ersetzt nicht das persönliche Gespräch, und kein Algorithmus kann beurteilen, ob Kandidaten wirklich ins Gremium passen. Die Datenbank ist momentan eher ein spannendes Experiment als eine reale Alternative.

Vielleicht gelingt künftig mit Hilfe künstlicher Intelligenz der Sprung von der Theorie zur Praxis. Bis dahin bleibt diese Variante zumindest eine ergänzende Möglichkeit – nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Eigeninitiative – unterschätzt, aber wirksam

Ein Weg, der in jüngster Zeit zunehmend an Bedeutung gewinnt, ist die gezielte Eigeninitiative der Kandidaten. Insbesondere jüngere Bewerberinnen und Bewerber erkennen, dass eine sorgfältige und individuell formulierte Initiativbewerbung an den Aufsichtsratsvorsitzenden Erfolg versprechen kann.

Ein Beispiel aus der Praxis verdeutlicht das: Eine erfahrene Juristin bewarb sich gezielt bei einem renommierten Familienunternehmen und überzeugte mit einer präzise formulierten Bewerbung, die ihre fundierte fachliche Expertise und persönliche Motivation deutlich machte. Das Ergebnis? Nach einem kurzen Gespräch war klar: genau die Richtige für die nächste vakante Aufsichtsratsposition.. Solche Beispiele zeigen, dass qualifizierte Eigeninitiative zu unerwarteten, hervorragenden Besetzungen führen kann.

Fazit: Zukunftsweisende Besetzung für rechtsichere Gremienarbeit

Die Suche nach geeigneten Aufsichtsräten wird anspruchsvoller – und das ist auch gut so. Netzwerke allein reichen nicht mehr aus, Personalberatung ist oft ohne Leidenschaft, und digitale Lösungen stecken noch in den Kinderschuhen. Eigeninitiative hingegen bietet neue Chancen, um echte „Mandatsgestalter“ zu gewinnen.

Denn eines ist sicher: Mandate werden heute nicht mehr zufällig vergeben – sie werden aktiv gestaltet.

Dr. Viktoria Kickinger

Directors Academy GmbH, Hamburg

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