(E)S(G) im Fokus des Aufsichtsrats: Frühzeitiges Handeln ist entscheidend

4. Okt.. 2024 | Der Aufsichtsrats-Blog, Kapitalgesellschaften

Die Bedeutung von ESG (Environmental, Social, Governance) wächst stetig, und der Aufsichtsrat spielt eine zentrale Rolle darin, diese Themen frühzeitig auf die Agenda zu setzen. Während die Umweltkomponente bereits durch die europäische Taxonomie reguliert ist, rückt die soziale Dimension zunehmend in den Vordergrund. Hierbei ist der Aufsichtsrat besonders gefordert, sich mit diesen Themen intensiv auseinanderzusetzen und proaktiv Berichte anzufordern – noch bevor solche Berichterstattungen verpflichtend werden.

Ein besonders sensibles Thema, das im Bereich „Social“ immer mehr Beachtung findet, ist der Umgang mit Mitarbeitern. Hier stoßen Unternehmen in Europa und den USA oft auf unterschiedliche Erwartungen. Während in den USA die „Hire and Fire“-Politik weitverbreitet ist – Menschen werden schnell eingestellt und ebenso rasch entlassen, wenn die Geschäfte schlechter laufen – wird der amerikanische Arbeitsmarkt oft als „flexibler“ beschrieben als der europäische. In den USA werden die monatlich neu geschaffenen Stellen in den Arbeitsmarktberichten extra ausgewiesen, da diese Zahl eine wichtige Kennzahl für Analysten ist, um die konjunkturelle Lage zu bewerten.

Investoren legen zunehmend Wert auf Sozialstandards

Doch auch Großinvestoren schauen immer kritischer auf den sozialen Umgang von Unternehmen mit ihren Mitarbeitern. Nachhaltigkeit bedeutet längst nicht mehr nur eine Reduktion des ökologischen Fußabdrucks, sondern auch die soziale Verantwortung gegenüber den Beschäftigten. Zwar hat die Europäische Union bisher klare Vorgaben zum Umweltbereich gemacht, jedoch steht die Regulierung des sozialen Bereichs noch aus. Investoren bewerten bereits jetzt, wie Unternehmen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ihre Mitarbeiter behandeln. Es geht darum, wie Entlassungen gestaltet werden, ob interne Umschulungen angeboten werden oder ob langfristige Perspektiven für die Belegschaft geschaffen werden.

Ein Beispiel: Der E-Auto-Hersteller Tesla kündigte im April an, zehn Prozent der weltweiten Arbeitsplätze zu streichen. Auch große Technologiekonzerne wie Alphabet, Meta und Microsoft haben umfangreiche Entlassungen vorgenommen. In dieser Phase ist es von enormer Bedeutung, dass Aufsichtsräte ein Auge darauf haben, wie Unternehmen diesen Wandel gestalten. Denn der Umgang mit Mitarbeitern beeinflusst maßgeblich die Reputation eines Unternehmens und somit auch seine Attraktivität für Fachkräfte und Investoren.

Langfristige Wettbewerbsfähigkeit durch soziale Verantwortung

Petra Daroczi z.B., Analystin für ESG bei der Fondsboutique Comgest, weist darauf hin, dass der Mangel an klaren Daten und Metriken im sozialen Bereich es schwierig macht, Unternehmen objektiv zu bewerten. Unternehmen sollten, so Daroczi, nicht nur Sachinvestitionen in ihrer Bilanz ausweisen, sondern auch zeigen, wie sie in ihre Mitarbeiter investieren. Fragen zu Löhnen, Sozialleistungen, Aus- und Weiterbildung sowie Aufstiegschancen sind hierbei entscheidende Faktoren.

Unternehmen, die soziale Verantwortung ernst nehmen und gezielt in ihre Belegschaft investieren, können dadurch Fluktuation reduzieren, die Produktivität steigern und einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil erzielen. Positivbeispiele wie der brasilianische Elektromotorenhersteller WEG, der auf umfangreiche Schulungsprogramme setzt, oder der Schweizer Vakuumventilspezialist VAT, der eng mit Universitäten kooperiert, zeigen, wie erfolgreich eine durchdachte Personalstrategie sein kann.

Handlungsbedarf für Aufsichtsräte: Frühes Eingreifen zahlt sich aus

Die soziale Verantwortung eines Unternehmens wird immer mehr zum kritischen Erfolgsfaktor. Daher ist es unerlässlich, dass Aufsichtsräte frühzeitig Alarm schlagen und die Unternehmensführung in die Pflicht nehmen, entsprechende Berichte einzufordern und Maßnahmen zu ergreifen. Denn der Umgang mit Mitarbeitern prägt nicht nur die Unternehmenskultur, sondern ist auch ein wesentlicher Teil der Marke eines Unternehmens. Diese Marke ist einer der größten Werte des Unternehmens – und um diesen Wert zu erhalten, muss der Aufsichtsrat proaktiv agieren.

Dr. Viktoria Kickinger

PS: Mehr dazu gibt es auf der Directors Academy – die Plattform, um sich über diese und weitere Themen zu informieren und auf dem neuesten Stand zu bleiben

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