Gemeinwohl, Parteiproporz, Weisungsbindung – was muss ein Aufsichtsgremium in öffentlichen Unternehmen wirklich leisten?

20. Juni. 2025 | Der Aufsichtsrats-Blog, Kapitalgesellschaften, Management

Was tun, wenn Kontrolle unter politischen Vorzeichen steht? Die Anforderungen an Aufsichtsgremien in öffentlichen Unternehmen nehmen rasant zu – und unterscheiden sich in zentralen Punkten von jenen in der Privatwirtschaft. Zwischen Gemeinwohl, Politik und betriebswirtschaftlicher Steuerung entsteht ein Spannungsfeld, das Gremienarbeit besonders anspruchsvoll macht.

Gremien als Garanten des öffentlichen Interesses Aufsichtsgremien in öffentlicher Trägerschaft übernehmen mehr als nur klassische Überwachungsaufgaben. Ihr Wirken ist untrennbar mit dem öffentlichen Interesse verknüpft. Anders als in der Privatwirtschaft geht es nicht primär um nachhaltige Profitabilität, sondern um gesellschaftliche Daseinsvorsorge – etwa in Energieversorgung, Wohnbau, Verkehr oder Kultur. Diese Zielsetzung verändert nicht nur die Steuerungslogik, sondern auch das Rollenverständnis der Gremien: Sie werden zu Hütern politischer Legitimation und müssen wirtschaftliche mit gesellschaftlichen Zielsetzungen ausbalancieren.

Zwischen Ehrenamt, Parteiproporz und Weisungsbindung Doch dieser Gemeinwohlauftrag bringt strukturelle Spannungen mit sich. Die heterogene Zusammensetzung vieler Gremien – häufig mit politischen Mandatsträgern, Verwaltungsbeamten und wenigen unabhängigen Experten – erschwert professionelle Steuerung. Hinzu kommen geringe Vergütungen, fehlende Fortbildungspflichten und Weisungsbindungen, die in privatrechtlichen Unternehmen undenkbar wären. Im Ergebnis kämpfen viele Gremien mit Zielkonflikten, Interessenkollisionen und Kompetenzlücken – bei gleichzeitig steigenden Anforderungen in den Bereichen Compliance, Nachhaltigkeit und strategischer Unternehmensführung.

Aufsicht zwischen Legitimation und Professionalität Weder politische Einflussnahme noch unternehmerisches Primat allein sichern gute Steuerung. Was öffentliche Unternehmen brauchen, ist ein klar definierter Governance-Rahmen, der politische Legitimation mit fachlicher Unabhängigkeit in Einklang bringt. Gute Gremienarbeit gelingt dort, wo Rollen, Rechte und Pflichten sauber geregelt sind – und wo Mitglieder ihre Verantwortung reflektiert wahrnehmen. Professionalisierung, strukturierte Besetzungsprozesse, faire Vergütung und systematische Weiterbildung sind keine Kür, sondern Grundbedingung für die Wirksamkeit der Aufsicht in öffentlicher Trägerschaft.

Fazit: Die Gremienarbeit in öffentlichen Unternehmen verlangt ein besonderes Maß an Integrität, Fachlichkeit und Rollenklarheit. Ein reflektiertes Gremium stellt sich die Frage: Sind wir strategisch genug aufgestellt – oder nur formal legitimiert?

Ein fundierter Überblick zu diesem Thema wurde im Webinar der Directors Academy am 9. April 2025 gegeben – mit Dr. Konrad Adenauer (Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH) und Dr. Jan Dörrwächter (Mercer | hkp///group).

🎥 Zum nachträglichen Ansehen: https://directorsacademy.de/courses/webinare-directors-academy/lessons/corporate-governance-und-aufsichtsratsarbeit-im-public-sector/

Ein Beitrag der Directors Academy, der digitalen Weiterbildungsplattform für Aufsichtsräte und Beiräte.

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