Muskifizierung der Unternehmensführung
Er tweetet schneller, als die SEC reagieren kann. Seine Auftritte erinnern an Rockstars – leider mit ähnlichem Eskalationspotenzial. Gleichzeitig sitzt er am Steuer von Tesla, SpaceX und diversen anderen galaktischen Projekten. Elon Musk ist vieles – nur nicht gewöhnlich. Doch was passiert, wenn genau dieser CEO vom Asset zum unkalkulierbaren Risiko wird? Und wie viel Verantwortung trägt dann eigentlich das Board?
Die Muskifizierung der Unternehmensführung
Man nennt sie „Celebrity CEOs“ – charismatische Unternehmensführer, deren Tweets Börsenkurse in Bewegung versetzen. Musk hat diese Kategorie praktisch neu definiert. Visionär, Pionier, Provokateur – und manchmal eben auch eine tickende Governance-Zeitbombe.
Als Musk 2018 locker-flockig twitterte, Tesla für 420 Dollar je Aktie von der Börse nehmen zu wollen („Funding secured“), löste er Chaos aus – gefolgt von SEC-Ermittlungen, millionenschweren Strafzahlungen und einem erzwungenen Rücktritt als Chairman. CEO blieb er natürlich trotzdem. Das Tesla-Board, besetzt mit Vertrauten, Freunden und nicht zuletzt seinem Bruder, reagierte zwar formal korrekt, faktisch jedoch so bissig wie ein zahnloser Tiger.
Lehren aus der Praxis: Vier Alarmzeichen
- Steve Easterbrook (McDonald’s): Entlassung wegen Verstoß gegen Verhaltensregeln, Rückforderung von 100 Millionen Dollar. Das nennt man Konsequenz.
- Dennis Kozlowski (Tyco): Luxusexzesse auf Firmenkosten – Gefängnisstrafe inklusive. Das Tyco-Board schaute lange zu, bis es schmerzhaft teuer wurde.
- Travis Kalanick (Uber): Toxische Unternehmenskultur und Investorenaufstand – das Board zwang den Gründer zum Rücktritt. Besser spät als nie.
- Elon Musk (Tesla): Kontroverse Tweets, SEC-Strafen – aber das Board applaudiert weiterhin fleißig mit. Konsequenzen? Bisher Fehlanzeige.
Wie würde ein deutscher Aufsichtsrat handeln?
Stellen Sie sich vor: Der CEO eines DAX-Konzerns posiert öffentlichkeitswirksam mit einer Kettensäge neben dem Bundespräsidenten. Die Folge: öffentlicher Aufruhr, Reputationsverlust und womöglich brennende Verkaufsräume. In Deutschland wäre ein solcher Vorfall nicht nur ein Fall für die Schlagzeilen, sondern für den Aufsichtsrat gemäß § 111 AktG. Sofortiges Handeln, außerordentliche Sitzungen und eventuell sogar eine Abberufung des CEOs wären nicht bloß theoretisch denkbar, sondern glasklare Pflicht. Genau hier zeigt sich die Stärke des dualen Systems: Klare Trennung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat – Vermischungen wie in den USA sind nicht vorgesehen.
Auch eine aktuelle Blitzumfrage unter den Mitgliedern der Directors Academy bestätigt: Die überwiegende Mehrheit der Befragten spricht sich klar für die Vorteile des dualen Systems aus – aus gutem Grund.
Boardversagen oder systemischer Fehler?
Das monistische System der USA räumt CEOs oft erheblichen Einfluss auf das Board ein. Teils dominieren CEOs sogar das Kontrollgremium. In Deutschland hingegen sorgt das duale System systematisch dafür, dass genau diese Kontrolle unabhängig und effektiv ausgeübt werden kann. Gerade wenn der CEO eher zum Popstar wird, ist diese Unabhängigkeit Gold wert.
Fazit: Ein CEO ist kein Rockstar
Governance ist kein Wohlfühlthema, sondern ein scharfes Instrument. Wenn Aufsichtsräte vergessen, dass sie Kontrolleure und nicht Groupies sind, gerät das Unternehmen schnell in Gefahr – ganz egal, wie visionär der CEO erscheint. Führungskräfte verdienen Respekt, aber keine Narrenfreiheit. Klare Grenzen setzen statt Standing Ovations spenden. So simpel und doch oft unterschätzt.
Dr.Viktoria Kickinger, Directors Academy
P.S.: Wer sitzt eigentlich im Tesla-Board?
Tesla, Inc. ist eine Delaware Corporation mit monistischem Board-System. Neben Elon Musk sitzen dort u. a. sein Bruder Kimbal Musk, langjährige Weggefährten wie James Murdoch und JB Straubel sowie Chairwoman Robyn Denholm. Ein Board, das in seiner Nähe zum CEO wohl kaum deutscher Governance-Praxis standhalten würde.
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