Quartalsbriefing
Für Aufsichtsräte von Kapitalgesellschaften
Q4 / Oktober 2022
Einleitung
Sehr geehrte Damen und Herren!
die internationalen Krisen setzen zahlreichen Unternehmen stark zu und die düsteren Wolken einer Rezession zeichnen sich immer deutlicher am Himmel ab. Aufsichtsgremien mit prognostischen Fähigkeiten sind mehr denn je gefragt, um eine sachgerechte Kontrolle der Unternehmensführung zu gewährleisten. Wir informieren Sie dieses Mal über den Stand der Sanktionen gegen Russland, Tätigkeiten des Gesetzgebers und der Rechtsprechung und die neuesten Pläne der EU.
Den Weiterbildungsnachweis der Directors Academy können Sie noch bis 31.12.2022 selbst erlangen. Sie müssen dazu 80 % der Fragen im Modul richtig beantworten und können danach im DASHBOARD das datierte und mit einer umfassenden Inhaltsangabe versehene Dokument downloaden.
Sie können die Fragen auch einfach zur Überprüfung des erworbenen Wissens beantworten, zur Standortbestimmung.
Die Fragen werden zweimal jährlich aktualisiert.
Wir hoffen, einen interessanten Mix an Themen für Sie gefunden zu haben. Kommen Sie gut durch diese schwierigen Zeiten!
Ihre Directors Academy
Blick nach vorne: Was steht in den nächsten Sitzungen an?
Sanktionen gegen Russland
Gesetz zur virtuellen Hauptversammlung
Grünes Europa: neues Bürokratiemonster?
Sanktionen gegen Russland – wer informiert?
Schon nach der Besetzung und Annexion der Krim durch Russland in 2014 verhängte die EU zahlreiche Sanktionen. Gegenstand waren das Einfrieren von Geldern, die Unterbindung des Geldtransfers und das Abschneiden Russlands von der Ein- uns Ausfuhr bestimmter Wirtschaftsgüter. Aufsichtsräte sollten im Zuge Ihrer Kontrollaufgabe im Blick behalten, ob das Leistungsspektrum des eigenen Unternehmens von Sanktionen betroffen ist und den Vorstand zur Einhaltung anhalten. Hinweise geben das Bundesamt für Wirtschaft und Einfuhrkontrolle (BAFA) und die Deutsche Bundesbank.
Im Kern sind Aus- und Einfuhrbeschränkungen sowie weitere Maßnahmen anhand der Listen der EU-Verordnungen zu prüfen. Ein besonderes Augenmerk müssen Aufsichtsgremien, aber auch die beauftragten Wirtschaftsprüfer, auf sanktionierte und genannte Personen legen, denen von Seiten des Unternehmens „unmittelbar oder mittelbar Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden oder zugutekommen“. Ferner sind den zuständigen Behörden Informationen zur Verfügung zu stellen, welche die die Einhaltung der Sanktions-Verordnungen erleichtern. Dies gilt umso mehr, wenn gesellschaftsrechtliche Verflechtungen mit russischen Unternehmen bestehen.
Gesetz zur dauerhaften virtuellen Hauptversammlung in Kraft
Am 8. Juli 2022 wurde das Gesetz zur dauerhaften Einführung der virtuellen Hauptversammlung beschlossen. Nach dem Auslaufen der Übergangsvorschriften zur COVID-19 Pandemie besteht nun dauerhaft die Möglichkeit, Hauptversammlungen im Wege der Präsenzveranstaltung, hybride oder rein virtuell abzuhalten. Die Bestimmungen gelten für die AG, die KGaA sowie die SE.
Erforderlich für die virtuelle HV ist eine Grundlage in der Satzung. Allerdings darf die Satzung keine Beschränkung der Tagesordnung auf bestimmte Beschlussgegenstände vorsehen (§ 118a Abs. 1 AktG-E). Allerdings besteht für die bis einschließlich 31. August 2023 einberufenen HV´s eine Übergangsregelung. Hier kann der Vorstand noch mit Zustimmung des Aufsichtsrats die Versammlung virtuelle abhalten. Schon jetzt ist daher eine entsprechende Satzungsänderung in Betracht zu ziehen, will man sich die Möglichkeit einer virtuellen HV weiter offenhalten.
Der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages setzte allerdings zahlreiche weitere Änderungen zum Regierungsentwurf durch. Demnach können Anträge der Aktionäre ausschließlich im Wege der Videokommunikation in der Hauptversammlung gestellt werden. Die bisher vorgesehene Veröffentlichungspflicht des Vorstandsberichts sieben Tage vor der Hauptversammlung bleibt im Übrigen nur bestehen, sofern der Vorstand vorsieht, dass Fragen der Aktionäre nur vorab eingereicht werden können. Ferner erhalten Aktionäre die Möglichkeit, Stellungnahmen fünf Tage vor der Hauptversammlung einzureichen. Allerdings besteht die Gestaltungsfreiheit, das Recht zur Stellungnahme auf ordnungsgemäß zur Hauptversammlung angemeldete Aktionäre zu beschränken. Zudem sehen die Regelungen zum Rederecht für Aktionäre vor, dass nicht nur Auskunftsverlangen und Nachfragen Bestandteil des Redebeitrags sein dürfen, sondern auch Anträge und Wahlvorschläge. Sollte eine Prüfung der Funktionsfähigkeit der Videokommunikation mit dem Aktionär Störungen aufweisen, kann der Redebeitrag zurückgewiesen werden. Der Versammlungsleiter kann ferner nach eigenem Ermessen entscheiden, ob er Fragen, die aufgrund eines bereits vorab bekannten Sachverhalts auch vor Ablauf der Frist zur Einreichung von Fragen hätten gestellt werden können, zulässt. Schon in der Einberufung kann das Fragerecht beschränkt werden.
Das neue Gesetz ist als Meilenstein in der Digitalisierung des Gesellschaftsrechts zu werten. Dem Gesetzgeber ist es gelungen, die klassische Präsenzversammlung durch virtuelle Nachbildung auch der Antragstellung per Video nicht zu entfremden.
Allerdings bleibt Nebeneinander von Stellungnahme-, Auskunfts-, Rede- und Nachfragerechten bestehen. So scheint die mangelnde Präsenz des Aktionärs durch ein Mehr an Mitsprachrechten unnötig kompensiert.
„Grünes Europa“ oder neues Bürokratiemonster?
Mit der „Corporate Sustainability Reporting Directive“ (CSRD) schlug die Europäische Kommission am 21. April 2021 im Rahmen des European Green Deals eine neue Richtlinie vor, welche die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen verbessern soll. Betroffen sind die Bereiche Finanzmarktregulierung, Energieversorgung, Verkehr, Handel, Industrie sowie Land- und Forstwirtschaft. Schon mit der bisherigen „CSR-Richtlinie“ wurden großen börsennotierten Unternehmen neue Berichtspflichten auferlegt. Die jetzt vorgeschlagene CSRD soll deutlich weitergehen, indem mehr Unternehmen betroffen sind und weitere Berichterstattungspflichten für Unternehmen über Nachhaltigkeitsaspekte eingeführt werden. Kommission, Parlament und Rat wollen bis spätestens Ende 2022 eine Einigung erreichen, welcher sich noch die Umsetzung in nationales Recht anschließen muss.
Ziel der Richtlinie ist die Schaffung nachvollziehbarer und vergleichbarer Angaben durch Unternehmen, um Nachhaltigkeit zu fördern. Unternehmen sollen darüber informieren, wie sich Nachhaltigkeitsaspekte auf ihren Geschäftsverlauf, die Geschäftsergebnisse sowie Mensch und Umwelt auswirken. Im Fokus stehen Angaben zu den sechs Umweltzielen der Europäischen Union, zu gesellschaftlichen Aspekten sowie zu Governance-Aspekten.
Diskutiert werden folgende Themenfelder:
• Soziale Verantwortung;
• Umgang mit den Beschäftigten;
• Arbeitsbedingungen;
• Chancengleichheit;
• Beschäftigung und Inklusion von Menschen mit Behinderungen;
• Bekämpfung von Korruption;
• sowie Achtung der Menschenrechte, Grundfreiheiten und demokratischer Grundsätze und Standards.
Der Entwurf sieht eine Veröffentlichung im Lagebericht des Unternehmens vor und wird lediglich nich-kapitalmarktorientierte kleine und mittlere Unternehmen von den Verpflichtungen ausnehmen. Im Gespräch ist stufenweise Umsetzung.
Die Programmatik klingt gut gemeint, ob allerdings gerade kleinere Unternehmen diese zusätzlichen Belastungen werden stemmen können und wollen, darf bezweifelt werden. Neue Kostenbelastungen werden unvermeidbar sein.
Was gibt es Neues auf Directors Academy?
Round Table für den Aufsichtsrat
Directors Academy bietet exklusiv für seine Kunden und Kundinnen die Möglichkeit, an einem virtuellen Round Table teilzunehmen. Maximal 10 Mandatsträger tauschen sich zu einem Thema aus, moderiert von Frau Dr. Kickinger, Geschäftsführerin von Directors Academy und selbst Aufsichtsrätin.
Die Teilnahme ist kostenlos, jedoch Kunden von Directors Academy vorbehalten. Die Teilnehmeranzahl ist auf maximal zehn Personen begrenzt, um einen effektiven und persönlichen Austausch zu gewährleisten. Die Mindestteilnehmerzahl ist vier.
Durch die Round Tables erhalten Kunden von Directors Academy die einzigartige Möglichkeit, sich mit ihren Peers zu aktuellen Governance Themen auszutauschen und ihr Netzwerk mit anderen Mandatsträgern zu erweitern. Vollkommene Vertraulichkeit ist für uns selbstverständlich und ist die Maßgabe für alle Teilnehmer. Alle kommenden Termine finden Sie hier.
Neu im Modul: Kapitalgesellschaften
Rollenwechsel – Wie aus einem Vorstand ein Aufsichtsrat wird
Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Aufsichtsratspraxis
Die virtuelle Hauptversammlung
Neu im Modul: Familienunternehmen
Rollenwechsel – Wie aus einem Vorstand ein Aufsichtsrat wird
Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Aufsichtsratspraxis
Die virtuelle Hauptversammlung
Podcast für den Aufsichtsrat
Im Directors Academy Podcast für den Aufsichtsrat spricht der Governance- und Nachhaltigkeitsexperte Rudolf X. Ruter mit herausragenden Persönlichkeiten aus der Welt der Corporate Governance. Im Folgenden finden Sie die alle Folgen der Governance-Gesprächsreihe.
Abonnieren Sie unseren Podcast in Ihrem Lieblingsplayer
Weitere Aufsichtsthemen
OLG München: Virtuelle Hauptversammlung verfassungsgemäß
Das Oberlandesgericht München hatte sich im Rahmen einer sehr umfangreichen Anfechtungsklage gegen Beschlüsse einer Hauptversammlung unter anderem mit der Frage zu befassen, ob die im Zuge der virtuellen Hauptversammlung abgehaltenen Beschlüsse verfassungsgemäß sind. Die Beschlüsse waren auf Basis des im Zuge der COVID-19 Pandemie beschlossenen Gesetzes zur Ermöglichung virtueller Hauptversammlungen zustande gekommen. Die anfechtenden Aktionäre behaupteten im Verfahren, dieses Gesetz sei verfassungswidrig, da der Bundestag nicht beschlussfähig gewesen und die Mitwirkung des Bundesrates nicht beachtet worden sei. Zudem hielten die Aktionäre die Anordnung einer virtuellen Hauptversammlung ohne entsprechende Anordnung in der Satzung für verfassungswidrig.
Das OLG München erteilte dieser Rechtsauffassung eine klare Absage. Formelle Fehler vermochte das Gericht nicht zu erkennen. Die Aktionäre hätten schon nicht ausreichend entsprechende formale Fehler substantiiert dargelegt. Auch sei es nicht verfassungswidrig, eine virtuelle Hauptversammlung kraft Gesetzes ohne satzungsrechtliche Grundlage anzuordnen. Die politische Situation mit den entsprechenden Kontaktbeschränkungsmaßnahmen habe Hauptversammlungen gar nicht anders ermöglicht. Die Einführung der Möglichkeit einer virtuellen Hauptversammlung sei daher auch ohne satzungsgemäße Grundlage erforderlich, um die Handlungsfähigkeit der Gesellschaften auch in Pandemiezeiten sicherzustellen. Das OLG München betrachtete diese Maßnahme auch als verhältnismäßig, da mildere Mittel nicht ersichtlich seien. Auf die Gesundheit der Teilnehmer einerseits sowie die Volksgesundheit andererseits sei zu achten. Im Übrigen habe der Vorstand ein Ermessen hinsichtlich der Durchführung einer virtuellen Hauptversammlung, sodass je nach Sachlage auch eine Präsenzveranstaltungen wieder durchgeführt werden könnte.
Die Entscheidung enthält damit einen interessanten Nebenaspekt, der auch künftig immer einmal wieder Gegenstand einer Diskussion sein kann. Der Gesetzgeber hat bei der endgültigen Normierung der virtuellen Hauptversammlung dem Erfordernis einer satzungsrechtlichen Verankerungen Rechnung getragen. Ähnliche Argumentationen wie im vorliegenden Verfahren dürften daher künftig kaum auf fruchtbaren Boden stützen.