Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden im Wandel: Herausforderungen und Chancen

12. Apr. 2024 | Der Aufsichtsrats-Blog, Finanzinstitute, Kapitalgesellschaften

Gastbeitrag von Dr. Sandra Binder-Tietz

Die Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden galt lange Zeit als Randthema, schließlich gelten CEOs als Gesicht des Unternehmens. Doch was passiert, wenn Stakeholder Fragen zur Corporate Governance haben. Können und sollen Vorstände bspw. über ihre Vergütung sprechen? Die Dissertation von Sandra Binder-Tietz etabliert die Kommunikationsrolle von Aufsichtsratsvorsitzenden in börsennotierten Unternehmen und zeigt die Fallstricke guter Aufsichtsratskommunikation.

Die Rolle des Aufsichtsrats als Kommunikator fand in der Vergangenheit wenig Beachtung. Historisch auf seine Kontrollfunktion beschränkt, verändert sich jedoch die Relevanz des Aufsichtsrats durch die steigende Bedeutung der Corporate Governance. Die höheren Anforderungen an Aufsichtsräte erfordern auch eine verstärkte Kommunikationskompetenz.

Die Bedeutung der Aufsichtsratskommunikation nimmt aus mehreren Gründen zu. International agierende Investoren erwarten vermehrt direkte Kommunikation mit Aufsichtsratsvorsitzenden. Änderungen im Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) legitimieren den Investorendialog und tragen zur verstärkten Bedeutung bei. Unternehmenskrisen sowie eine neue Generation von Aufsichtsratsvorsitzenden beeinflussen die öffentliche Wahrnehmung. Die Stakeholder, darunter Investoren und Journalisten, haben klare Erwartungen an die Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden, insbesondere in Sondersituationen.

Aufsichtsratsvorsitzende als Repräsentanten und Adressaten guter Corporate Governance

Die Themen und Anlässe bei denen Aufsichtsratsvorsitzende kommunizieren (sollten), sind klar von denen der CEOs abgegrenzt. Aufsichtsratsvorsitzende sind die Ansprechpartner für klassische Aufsichtsratsthemen, wie Besetzung, Entlassung und Vergütung von Vorstand und Aufsichtsrat oder die Abschlussprüfung. Diese Themen liegen im Verantwortungsbereich des Aufsichtsrats – sodass Vorstände nicht dazu sprechen (können).

Neben der gesetzlich definierten Regelkommunikation, allen voran dem Aufsichtsratsbericht und dessen Erläuterung auf Hauptversammlungen, gibt es aber auch freiwillige Maßnahmen. Vor allem der Investorendialog ist bereits fest in der Investor-Relations-Arbeit vieler DAX-Unternehmen angekommen. Der Investorendialog wird als legitim angesehen, wobei die Entscheidung über Gesprächspartner und -konstellation den Aufsichtsratsvorsitzenden obliegt. Hier fungiert die Investor-Relations-Abteilung als wichtige Ressource.

Darüber hinaus identifiziert die Studie aber eine Vielzahl anderer freiwilliger Kommunikationsmaßnahmen von Aufsichtsratsvorsitzenden mit Medien, Stimmrechtsberatern und anderen Stakeholdern. Diese erfolgen durch Hintergrundgespräche, Interviews, Social-Media-Nutzung und persönliche Gespräche – dies alles ist gesetzlich nicht definiert, aber die Unternehmensrealität.

Interne Kommunikation als zentrale Aufgabe des Aufsichtsrats(vorsitzenden)

Insbesondere die interne Kommunikation ist für Aufsichtsratsvorsitzende von zentraler Bedeutung. Der Austausch mit dem Vorstand und die Vorbereitung von Aufsichtsratssitzungen sind zeitaufwendige Aufgaben, für die es häufig wenig Ressourcen gibt.

Der Austausch innerhalb des Aufsichtsratsgremiums erfolgt hauptsächlich in den Sitzungen, begleitet von zahlreichen persönlichen Gesprächen zur Vorbereitung. Die Kommunikation mit dem Vorstand konzentriert sich auf die Informationsversorgung des Aufsichtsrats, wobei die Aufsichtsratsvorsitzenden als Sounding Board für strategische Überlegungen fungieren.

Aber auch Führungskräfte sollten als Stakeholder der Aufsichtsratskommunikation betrachtet werden. Einerseits haben sie Fachexpertise und sind relevant für eine Nachfolgeregelung, anderseits können Aufsichtsratsvorsitzende so die Wertschätzung des Gremiums übermitteln.

Die Frequenz und Intensität dieser internen Kommunikation werden durch den persönlichen Stil von Aufsichtsratsvorsitzenden beeinflusst. Zudem stehen sie in enger Verbindung zur Beziehung zum Vorstand und dessen Einschätzung zur Relevanz der Kommunikation. Die Forschungsergebnisse betonen die Notwendigkeit einer klaren Verantwortlichkeit für die Aufsichtsratskommunikation. Idealerweise sollten CEO, Aufsichtsratsvorsitzende und Kommunikationsverantwortliche gemeinsam zur Kommunikation sprechen. Die klare Abgrenzung der Themen und eine transparente interne Kommunikation sind entscheidend für eine erfolgreiche Zusammenarbeit.

Fazit: Aufsichtsratskommunikation als Teil des Reputationsmanagements

Aufsichtsratskommunikation ist ein strategisches Element, kein Luxus. Es geht dabei um transparentes Reputationsmanagement – sehr punktuell und fokussiert.

Stakeholder erwarten, dass Aufsichtsratsvorsitzende zu bestimmten Themen kommunizieren. Diesem Anspruch sollten die Unternehmen mit einer entsprechenden internen Aufstellung und Abstimmung begegnen. Und wenn Aufsichtsratsvorsitzende zu der Überzeugung kommen, dass sie Teil der Außendarstellung sein sollte, dann ist das eine gute Idee. Denn Aufsichtsratsvorsitzende sind relevante Kommunikatoren für börsennotierte Unternehmen.

Dr. Sandra Binder-Tietz ist Geschäftsleiterin des Center for Research in Financial Communication, einem Kompetenzzentrum für Finanzkommunikation und Investor Relations, und Geschäftsleiterin der Günter-Thiele-Stiftung für Kommunikation und Management. Sie ist zudem am Lehrstuhl für Kommunikationsmanagement der Universität Leipzig tätig. Weitere Informationen zur Aufsichtsratskommunikation finden sich auf www.aufsichtsrat-kommunikation.de

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