Der Aufsichtsrat soll künftig in seinem Bericht an die Hauptversammlung über durchgeführte Aus -und Fortbildungsmaßnahmen berichten. So sieht es eine neu in den Deutschen Corporate Governance Kodex aufgenommene Empfehlung vor. Das kommt der Empfehlung einer Fortbildungspflicht für Aufsichtsräte gleich!
Die EU / Kommissariat Recht verfolgt seit acht Jahren diesen Vorstoß in Richtung Professionalisierung. Aufgrund mangelnder Bereitschaft der Länder wurde dieses Projekt auf Europäischer Ebene allerdings immer wieder zurückgestellt.
Das steigende Verantwortungsbewusstsein, gekoppelt mit der berechtigten angestrebten Haftungs-Vermeidung, führt zu zunehmender Akzeptanz der Weiterbildungsangebote. Der öffentliche Druck spielt eine untergeordnete Rolle, beschränkt er sich doch auf die immer gleichen prominenten Player.
ZERTIFIZIERUNG /AKTIENGESELLSCHAFTEN
Die Deutsche Börse hat bereits erkannt, dass Aufsichtsräte von DAX-Unternehmen über eine Mindest-Qualifikation verfügen bzw. sich ständig weiterbilden sollten. Sie bietet eine exklusive, für den Durchschnitts-Aufsichtsrat jedoch kaum leistbare Zertifizierung an, die u.a. auf einem vierwöchigen Kurs, psychologischer Beurteilung des Kandidaten sowie einer umfassenden schriftlichen Prüfung beruht.
Wenngleich diese Zertifizierung nur von einer überschaubaren Anzahl an Kandidaten angenommen wird, ist es doch eine klare Ansage: Aufsichtsräte müssen im Rahmen ihrer Verantwortung – und Haftung – ihr Wissen ständig updaten, die Basics beherrschen, um einen veritablen Mehrwert für ihre Unternehmen darzustellen.
FINANZINSTITUTE
Aufsichts- und Verwaltungsräte von Finanzinstituten müssen längst EU-weit bei Amtsantritt ihre Qualifizierung nachweisen bzw. diese innerhalb von sechs Monaten nachholen. So mancher Aufsichtsrat wird von der Aufsichtsbehörde aufgefordert, sich umgehend weiterzubilden bzw. seine Funktion zurückzulegen.
VORBEREITUNG
Eine bemerkenswert große Interessenten-Gruppe sind Aufsichtsräte in spe: Zum einen bereiten sich jüngere Manager beizeiten auf ein mögliches Mandat vor, zum anderen ist die Aufsichtsrats-Tätigkeit heute greifbarer geworden. Der „Club der Alten Männer“ oder die „Deutschland AG“ sind im Auslaufen – in einen Aufsichtsrat gewählt zu werden rückt in realistische Nähe.
EHRENAMT AUFSICHTSRAT
Eine problematische Gemengelage findet sich bei ehrenamtlichen Mandatsträgern, die ohne Bezahlung ihrer Tätigkeit nachkommen. Sie müssen ebenso wichtige Entscheidungen treffen wie alle anderen, haften vollumfänglich – wollen aber nachvollziehbarer Weise keine Freizeit für Aus- und Weiterbildung „opfern“. In manchem öffentlichen Sektor liegt die Aus- und Weiterbildungsrate unter 10%. Aufsichtsräte ohne Bezahlung sind ein anachronistisches Überbleibsel aus einer Zeit, als die Bezeichnung „Aufsichtsrat“ noch auf die Visitenkarte gedruckt wurde.
OVERKILL
Beratungsunternehmen aus Recht und Wirtschaftsprüfung überschütten Aufsichtsräte mit Newslettern, Fachbeiträgen und Veranstaltungen. Für das einzelne Mitglied ist eine sinnvolle, bedarfsorientierte Selektion nicht mehr möglich. Die redaktionellen Beiträge sind oftmals langatmig und wissenschaftlich verfasst, primär an DAX -Unternehmen adressiert, sodass sie für die praktische Fragestellung im Alltag ungeeignet sind.
GEDRUCKTES
Fachpublikationen von Aufsichtsratsvereinigungen legen Wert auf kurze, praxisnahe Ausführungen und können daher zu einer punktuellen qualifizierten Weiterbildung beitragen. Bücher finden allenfalls heute noch als Geschenk für Aufsichtsräte Verwendung, zu schnell ändern sich die Rahmenbedingungen, zu beherrschend ist bereits der Einsatz digitaler und somit aktueller Angebote.
PRÄSENZVERANSTALTUNGEN
Mehrtägige Seminare werden begrenzt angenommen – ausgenommen die verpflichtende mehrwöchige Vorbereitung auf die Zertifizierung, die auch eine psychologische bzw. gruppendynamische Beurteilung beinhaltet.
Gut akzeptiert werden ganz- bzw. halbtägige Veranstaltungen, die neben Weiterbildung auch das unverzichtbare Networking ermöglichen. Der in Relation hohe finanzielle Aufwand spielt hier eine untergeordnete Rolle, die Kosten werden dem Unternehmen in Rechnung gestellt.
Gerne angenommen werden Angebote von Beratern für kostenlose Inhouse-Weiterbildung im Rahmen einer Aufsichtsrats-Sitzung. Der Mehrwert ist begrenzt, da in diesen Inhouse Schulungen Wissen primär passiv aufgenommen wird, zu Diskussionen kommt es selten. Kaum ein Aufsichtsrat will sich durch Nachfragen (vermeintlich) blamieren.
DIGITALE WEITERBILDUNG
Blended Learning, die Kombination von Präsenz-Veranstaltungen mit digitalen Angeboten ist die Zukunft.
Digitale Formate mit Informations-Videos (Directors Academy, www.directorsacademy.de) erobern rasant den Markt. Der Informationsabruf on demand, jederzeit und von überall ist ein wesentliches Kaufargument, ebenso die für jedermann leistbaren Konditionen. Stärkster Trigger ist die garantierte Aktualität des Inhalts.
ZUSAMMENFASSUNG
Der Trend zeigt also in Richtung fakultativ – freiwilliger Weiterbildung mit dem Ziel des verpflichtenden Qualifizierungs-Nachweises auf europäischer Ebene.
Der klassische Weiterbildungsmarkt für Aufsichtsräte wird allmählich zu einem unüberschaubaren Sammelsurium von meist marketing-getriebenen Angeboten. Die notwendige Konsolidierung zeichnet sich ab: Digitale Formate werden schon bald in Kombination mit Präsenzschulungen den Markt beherrschen („Blended Learning“).
Individualisierung des Wissens-Updates (Digital) in Kombination mit dem Netzwerk-Faktor ermöglicht und erleichtert die weitere Professionalisierung der Aufsichtsratsarbeit.
Die Autorin ist erfahrene Aufsichtsrätin, Geschäftsführerin der digitalen Directors Academy Hamburg und Leiterin der CSE Zertifizierungskommission für Aufsichtsräte in Österreich.