Menschenrechtliche Berichterstattung – Quo Vadis?

2. Nov. 2021 | Der Aufsichtsrats-Blog, Kapitalgesellschaften

Gastbeitrag von Michael Wiedmann, Rechtsanwalt und Consultant bei Norton Rose Fulbright

Die nichtfinanzielle Berichterstattung gewinnt zunehmend an Bedeutung insbesondere aus Investorensicht. Bislang haben die Unternehmen einen großen Ermessensspielraum wie sie ihren Pflichten gemäß dem CSR-Richtlinienumsetzungsgesetz (CSR RUG) nachkommen. Dies ändert sich aber gerade infolge von gesetzgeberischen Aktivitäten auf Berliner und Brüsseler Ebene.

Zwar wurden mit dem CSR RUG Vorgaben für die nichtfinanzielle Berichterstattung (siehe §§ 289b-289e HGB) für ca. fünfhundertfünfzig Unternehmen eingeführt. Diese blieben aber insbesondere im Hinblick auf den Begriff des Risikos eher vage. Die Konkretisierung der Angaben zu anderen Begriffen, bspw. der „Beschreibung der von der Kapitalgesellschaft verfolgten Konzepte, einschließlich der von der Kapitalgesellschaft angewandten Due-Diligence-Prozesse“,[1] liegen aber im Ermessen der Unternehmens. Im Bereich der Menschenrechte nutzten nur wenige Unternehmen die Möglichkeit zur Angabe aussagekräftiger Leistungsindikatoren oder einer periodenübergreifenden Berichterstattung. Daher bleibt die nichtfinanzielle Berichterstattung in den meisten Fällen immer noch oberflächlich und kann qualitativ auch nicht mit der finanziellen Berichterstattung verglichen werden.[2]

Die bisherige Praxis steht nun vor grundlegenden Veränderungen, was auch Folgen für den Pflichtenumfang von Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorganen hat. Am 21. April 2021 stellte die EU-Kommission den Entwurf der überarbeiteten CSR-Richtlinie vor.[3] Danach sollen ab dem 1. Januar 2026 deutschlandweit 15.000 Unternehmen von der Erweiterung der nichtfinanziellen Berichtspflicht betroffen sein; die Berichtspflicht trifft damit den überwiegenden Teil des deutschen Mittelstands.[4] Des Weiteren sollen Nachhaltigkeitsinformationen sowohl zukunfts- als auch vergangenheitsbezogene und sowohl qualitative als auch quantitative Informationen für kurz-, mittel- und langfristige Zeiträume entlang der gesamten Wertschöpfungskette umfassen.

Noch präzisere und konkretere Angaben als die kommende EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung macht das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG),[5] das ab dem 1. Januar 2024 für ca. 4.800 Unternehmen gelten wird.[6] Danach müssen die betroffenen Unternehmen jährlich u.a. darüber berichten, welche Risiken oder Verletzungen im Hinblick auf Menschenrechte  und/oder Umwelt das Unternehmen identifiziert hat. Falls das der Fall ist, muss das Unternehmen angeben, welche Präventions- oder Abhilfemaßnahmen es ergriffen hat. Des Weiteren muss es Angaben zu den Elementen seiner Menschenrechtsstrategie machen und berichten, welche Maßnahmen infolge etwaiger Beschwerden getroffen wurden. Zudem hat es die Auswirkungen und die Wirksamkeit seiner Maßnahmen zu bewerten und entsprechende Schlussfolgerungen für zukünftige Aktivitäten zu ziehen. Diese Berichtspflicht entfällt nur, wenn das Unternehmen keine Risiken oder Verletzungen festgestellt hat und dies plausibel in seinem jährlich zu erstellenden und öffentlich zugänglich zu machenden Bericht dargelegt hat.

Derzeit ungelöst ist die Frage, wie sich die umfassendere Berichterstattung nach dem LkSG auf die Berichterstattungspflicht nach dem CSR RUG auswirkt. Möglicherweise wird der von der EU-Kommission für den 8. Dezember 2021 angekündigte Entwurf einer unternehmerischen Sorgfaltspflichtenrichtlinie (Sustainable Corporate Governance Directive) zumindest Vorgaben zum Verhältnis zur zukünftigen EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung enthalten. Solche Vorgaben auf EU-Ebene führen aber nicht zu einer automatischen Abschaffung der Berichtspflichten nach dem LkSG. Eine Erleichterung für Unternehmen würde erst dann eintreten, wenn die Bundesregierung im Lichte der Europäischen Rechtsentwicklung zum Schluss käme, das LkSG außer Kraft zu setzen.[7] Vor 2026 ist damit eher nicht zu rechnen.


[1] § 289c Abs. 2 Nr. 1 HGB.

[2] Siehe Wiedmann – Nichtfinanzielle Berichterstattung der DAX-30-Unternehmen zur Achtung der Menschenrechte, BB 2021, S. 1515ff.

[3] Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen, abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu.

[4] Lanfermann, #issbto-frankfurt!, abrufbar unter https://www.deutscheranwaltspiegel.de.

[5] § 10 Abs. 2 und 3 LkSG.

[6] FAQs zum LkSG, abrufbar unter https://www.bmz.de.

[7] Reg. Begr. Drucksache 19/28649 vom 19.04.2021, abrufbar unter https://dserver.bundestag.de.

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