Tonbandprotokoll im Aufsichtsrat?

6. Feb. 2023 | Der Aufsichtsrats-Blog, Kapitalgesellschaften

Gastbeitrag von Dr. Florian Dollenz, Rechtsanwalt Wien

Das Protokoll einer Aufsichtsratssitzung hat in der Praxis eine hohe Bedeutung. Das gilt nicht nur für den Fall, dass kontroverse Diskussionen geführt werden, sondern auch bei besonders wichtigen Entscheidungen. Gerade in Zeiten des technischen Fortschritts und des immer häufigeren Einsatzes digitaler Medien stellt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen elektronische Hilfsmittel (zB Diktiergerät, Tonband oder Software mit Spracherkennung) in der Sitzung des Aufsichtsrats eingesetzt werden können.

Gesetzliche Ausgangslage

Der Einsatz elektronischer Medien in der Aufsichtsratssitzung ist gesetzlich nicht geregelt. Vorgesehen ist aber, dass eine „Niederschrift“ über den Verlauf der Sitzung angefertigt werden muss (§ 107 Abs 2 Satz 1 AktG; in Österreich § 92 Abs 2 AktG und § 30g Abs 2 GmbHG). Aus dieser Formulierung wird allgemein gefolgert, dass für das anzufertigende Aufsichtsratsprotokoll die Schriftform notwendig ist, worunter von Gesetzes wegen Unterschriftlichkeit zu verstehen ist. Der Vorsitzende – im Falle seiner Verhinderung sein Stellvertreter – hat ein handschriftlich, in den meisten Fällen aber elektronisch erstelltes Protokoll zu unterzeichnen. Alternativ kann es auch mittels qualifizierter elektronischer Signatur unterfertigt werden. Strengere Formerfordernisse, zB unter Einbindung eines Notars, sind nicht erforderlich. Zweck des Protokolls ist es, die wesentlichen Inhalte des Sitzungsverlaufs zu dokumentieren. Es soll später nachvollziehbar sein, was Gegenstand der Sitzung war und ob Beschlüsse ordnungsgemäß gefasst wurden. Auf die vom Aufsichtsrat gefassten Beschlüsse hat das Protokoll keine Auswirkung.

Arten von Aufsichtsratsprotokollen

Das Gesetz macht keine näheren Vorgaben zum Modus der Protokollierung, sondern lässt Raum für eine individuelle Gestaltung. Bestimmte Mindeststandards sind jedoch sowohl im Gesamtaufsichtsrat als auch in Ausschütten einzuhalten. So muss alles enthalten sein, was das Zustandekommen, den Inhalt und die Wirksamkeit von Beschlüssen betrifft. Hierzu bedient man sich in der Praxis unterschiedlicher Arten von Protokollen. Diese unterscheiden sich hinsichtlich des Detailgrads, in dem der Sitzungsverlauf dokumentiert wird:

  • Wortprotokoll: Wiedergabe des Sitzungsverlaufs erfolgt Wort für Wort. Ein derartiger Detailgrad wird vom Gesetz zwar nicht verlangt; dennoch kann ein derartiges Protokoll über die Sitzung des Aufsichtsrats angefertigt werden.
  • Verlaufsprotokoll bzw summarisches Protokoll: Dabei werden die Redebeiträge zu einzelnen Tagesordnungspunkten sowie die gefassten Beschlüsse sinngemäß zusammengefasst.
  • Résumé- bzw Ergebnisprotokoll: Der Sitzungsverlauf wird nicht näher dokumentiert, sondern nur die im Aufsichtsrat gefassten Beschlüsse. Diese Form genügt den allgemeinen Anforderungen an das Protokoll nicht, da auch die Beratung des Aufsichtsrats in wesentlichen Zügen zu dokumentieren ist.

Zur Protokollführung

Bei der Wahl der Protokollform kommt es vor allem darauf an, welche Interessen im Aufsichtsrat im Vordergrund stehen: Steht die freie Aussprache der Mitglieder im Vordergrund, wird man sich in der Regel für das Verlaufsprotokoll entscheiden. Da die freie Aussprache im Aufsichtsrat eingeschränkt sein kann, wenn sich Mitglieder aufgrund der genauen Protokollführung nicht oder nur zurückhaltend äußern. Besteht ein Haftungsrisiko oder Uneinigkeit im Aufsichtsrat, wird man eher eine möglichst genaue Dokumentation wählen. Schließlich dient das unterfertigte Protokoll als Beweisurkunde.

Die Führung des Protokolls kann von einem Mitglied des Aufsichtsrats übernommen werden, wobei eine gleichzeitige Teilnahme an Abstimmungen und Beratungen eine Herausforderung sein kann. Es kann aber auch ein Dritter mit der Protokollführung betraut werden. Sofern ein solcher Dritter nicht ohnehin einer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht unterliegt, empfiehlt sich der Abschluss eines Non-Discosure-Agreements (NDA). Das Protokoll muss nicht zwingend während der Sitzung, sondern kann auch zu einem späteren Zeitpunkt angefertigt werden.

Kein reines Tonbandprotokoll, aber zulässiges Hilfsmittel

Eine reine Tonbandaufnahme ist zur Protokollierung der Aufsichtsratssitzung ungeeignet. Sie erfüllt die gesetzlichen Vorgaben allein nicht, da eine „Niederschrift“ notwendig ist. Die Tonbandaufnahme kann aber unter bestimmten Voraussetzungen als Hilfsmittel zur Erstellung des schriftlichen Protokolls verwendet werden. Alternativ kann die Aufnahme auch ausschließlich zur Berichtigung und Prüfung des Protokolls verwendet werden. Sinnvoll kann dies insbesondere bei besonders umfangreichen Sitzungen sein oder wenn Dritte zur Protokollführung nicht beigezogen werden können. Oft lässt sich vor einer Aufsichtsratssitzung auch nicht abschätzen, ob ein umfangreiches Protokoll erforderlich ist. Der inhaltliche Sitzungsverlauf kann damit nachträglich nachvollzogen und anhand dessen je nach Bedarf ein ausführlicheres oder bloß zusammenfassendes Protokoll erstellt werden. Zwar besteht die Gefahr, dass sich einzelne Mitglieder aufgrund der Aufzeichnung nur zurückhaltend oder gar nicht äußern. Die Wortmeldung muss aber nicht Eingang in das schriftliche Protokoll finden und könnte spätestens bei der Berichtigung korrigiert oder entfernt werden.

Voraussetzungen für die Aufnahme

Im Gesetz sind die Voraussetzungen für den Einsatz elektronischer Hilfsmittel (zB eines Diktiergeräts, Tonbands, Videoaufzeichnung oder einer Software mit Spracherkennung) in der Aufsichtsratssitzung nicht geregelt. In der Literatur wird nahezu einhellig vertreten, dass Tonbandaufnahmen nur mit der Zustimmung sämtlicher Mitglieder zulässig sind. Jedenfalls unzulässig ist es, wenn einzelne Mitglieder eigenmächtig, ohne Genehmigung und Information der anderen Mitglieder eine Tonbandaufnahme von der Sitzung anfertigen. Sollte eine elektronische Aufzeichnung gewünscht sein, empfiehlt es sich, dies mit sämtlichen Mitgliedern des Aufsichtsrats vor der jeweiligen Sitzung abzustimmen.

Kommt es bei der Protokollierung regelmäßig zum Einsatz elektronischer Medien, erscheint es sinnvoll, eine entsprechende Regelung in der Geschäftsordnung des Aufsichtsrats aufzunehmen. Hier kann der konkrete Modus für die Verwendung, die Erstellung des Protokolls sowie die Berichtigung und allfällige Widersprüche von Mitgliedern des Aufsichtsrats konkret geregelt werden. Damit wird innerhalb des Gremiums eine gewisse Rechtssicherheit für die Verwendung von Aufnahmegeräten geschaffen.

Da die Aufnahme der Rede- und Stimmbeiträge einzelner Mitglieder als personenbezogene Daten zu qualifizieren sind, muss der Einsatz von elektronischen Hilfsmitteln nicht nur gesellschaftsrechtliche, sondern auch datenschutzrechtliche Voraussetzungen erfüllen. Jedenfalls unproblematisch ist die Aufzeichnung, wenn sämtliche Mitglieder des Aufsichtsrats der Aufnahme und der einhergehenden Datenverarbeitung zustimmen. Unabhängig davon kann eine Aufzeichnung zulässig sein, wenn ein berechtigtes Interesse der Gesellschaft (zB der Sicherstellung von Ansprüche oder der wirksamen Beschlussfassung) besteht. Die Erstellung eines Verarbeitungsverzeichnisses sowie entsprechender Datenschutzerklärungen im Sinne der DSGVO erscheint empfehlenswert.

Fazit

Der Einsatz elektronischer Medien wird in Zukunft zunehmend an Bedeutung gewinnen; dies betrifft auch den Aufsichtsrat. Schließlich wird damit die Protokollführung wesentlich erleichtert. Es gilt dabei aber abzuwägen, ob eine umfangreiche Protokollierung des Sitzungsverlaufs überhaupt erwünscht ist. Während eine genaue Dokumentation aus Beweisgründen sinnvoll sein kann, besteht die Gefahr, dass es bei Diskussionen zur Zurückhaltung der Mitglieder kommt. Zur Vermeidung von Unstimmigkeiten sollte die Verwendung elektronischer Medien von sämtlichen Mitgliedern vorab genehmigt werden. Es ist empfehlenswert, hierfür einen Modus in der Geschäftsordnung des Aufsichtsrats abzubilden.

Über den Autor:

Dr. Florian Dollenz, ist Rechtsanwalt in Wien und war zuvor am Institut für Unternehmensrecht und Internationales Wirtschaftsrecht der Universität Graz tätig. Er ist Experte im Gesellschafts-, Stiftungs- und Kapitalmarktrecht sowie in der Nachfolgeplanung und beschäftigt sich regelmäßig mit Themen rund um den Aufsichtsrat.

Email: florian.dollenz@pwc.com

Aufsichtsrats-Blog durchsuchen

E-Mail-Newsletter

Directors Essentials

Mit dem kostenlosen Governance-Newsletter Directors Essentials erhalten Sie Wissenswertes aus der Welt der Corporate Governance: Von aktueller Rechtsprechung und neuen Regularien bis hin zu Veranstaltungshinweisen.

Newsletter abonnieren

* Pflichtfeld
Ich interessiere mich für Neuigkeiten im Bereich
WordPress Cookie-Hinweis von Real Cookie Banner