Wirecard ist Auslöser für die Auseinandersetzung mit Themen, die bisher eher am Rand angesiedelt waren. Eigentlich war es – in der öffentlichen Meinung – selbstverständlich, dass Aufsichtsräte sich ebenso ständig weiterbilden wie Ärzte oder Fachanwälte. Aber ist das in der Tat so selbstverständlich? Experten schätzen, dass nur 10 % der Aufsichtsräte ihrer Fortbildungspflicht nachkommen.
Noch müssen Aufsichtsräte ihre Weiterbildung nicht nachweisen, aber das ist nur mehr eine Frage der Zeit. Bei den Hauptversammlungen im Jahr 2021 werden die Proxy Advisors das Thema Weiterbildungs-Nachweis, wie in der Empfehlung D.12 des aktuellen Deutschen Corporate Governance Kodex formuliert in ihre Guidelines aufnehmen. Demnach soll jedes Aufsichtsratsmitglied – so die dringende Empfehlung – seine Weiterbildungsmaßnahmen jährlich im Geschäftsbericht offenlegen.
Nicht alles kann man lernen, Erfahrung, Verantwortung für Personal und Budget in größerem Umfang als Voraussetzungen sind ebenso wenig erlernbar wie Mut (zu unbequemen Überzeugungen bis hin zum Neinsagen), Standfestigkeit (im Sinne des Unternehmenswohls) oder Charakter.
Erst auf so einem Fundament kann das notwendige Fachwissen aufbauen, welches auch stets aktualisiert werden muss, denn kaum ein Bereich wurde in den letzten Jahren so stark reguliert wie dieser. Wie bilden sich die – tatsächlich nur 10%? – der Aufsichtsräte in Deutschland weiter, was wird ihnen geboten zum Onboarding, zum weiteren Wissens-Update?
1. Outdoor-Schulung versus Indoor-Vortrag
Vor Covid-19 waren Tagungen und eintägige Präsenz -Seminare besonders beliebt bei Aufsichtsräten da dort auch der Netzwerkfaktor eine große Rolle spielt. Man fand dort eine Mischung von wissbegierigen Aufsichtsräten mit jenen die primär ihr Netzwerk erweitern wollen und mit Beratern auf Mandantensuche. Weiterbildung light.
Mehrwöchige Seminare zur Vorbereitung auf ein Zertifikat gibt es ebenfalls, allerdings von der Teilnehmerzahl nur unter „ferner liefen“. Meist dauern diese Seminare länger als der Aufwand für drei Mandate pro Jahr in Summe, zusätzlich muss im Abstand von drei Jahren rezertifiziert werden. Bis zum Zeitpunkt des Verfassens dieser Zusammenstellung wurden für die Rezertifizierung nur weitere Präsenz-Schulungen anerkannt.
Präsenz-Veranstaltungen werden nie mehr die frühere dominante Stärke zurückgewinnen.
2. Investment in Weiterbildung versus Gratis-Angebote?
Generell spreche ich mich gegen unentgeltliche Wissensvermittlung für Aufsichtsräte aus, diese „Häppchen“ erheben keinen Anspruch auf Einbettung in den Gesamtkontext und signalisieren, in gewisser Weise „wertlos“ zu sein.
Covid 19 hat eine Flut an Webinaren (auch für Aufsichtsräte) ausgelöst, so etwas wie eine Pop-Up-Kultur ist entstanden. Viele haben es versucht und gleich wieder gelassen. Denn auch ein Webinar kostet Geld in Vorbereitung und Durchführung, zumindest ein qualitätvolles. Derer gab/gibt es auch vorbildhafte, wie z.B. die beiden großen Aufsichtsrats-Vereinigungen beweisen. Webinare werden sich komplementär behaupten, nicht jedoch stand alone. Die Teilnahme – Verpflichtung zu einem festen Zeitpunkt widerspricht dem Prinzip der Selbstbestimmung, welches gerade bei digitalen Formaten ein wesentliches Kauf-Argument darstellt. Aufgezeichnete Webinare anzusehen ohne sich – da aufgezeichnet – selbst einbringen zu können ist nur die halbe Miete.
Inhouse Schulungen werden gerne unentgeltlich oder preisgünstig von Beratern abgehalten, man lernt so seine Auftraggeber auch besser kennen. Konzept oder Inhaltsnachweis sind hier nicht vorgesehen. Die Kostenlosigkeit schmälert jedenfalls Wert und Wertschätzung, schmälert auch die Aufmerksamkeit der Zuhörer.
Digital Learning für den Aufsichtsrat & Blended Learning
Digitale Weiterbildungs- Formate für Aufsichtsräte mit Seminar-Aufbau erobern den Markt rasant. Sie sind jederzeit und überall abrufbar, Informationen werden über kurze Videos besonders gut aufgenommen, Anonymität und das Wegfallen der Gruppendynamik bei Nichtwissen – für Aufsichtsräte durchaus ein Thema – sind weitere Gründe für die hohe Akzeptanz. Solche Angebote sind immer mit Kosten verbunden, wobei die Kosten-Nutzen-Relation ausgewogen ist.
Digitale Formate müssen immer aktuell sein, nichts ist schneller herzustellen als ein Video.
Blended Learning (integriertes Lernen) ist die didaktisch sinnvolle Verknüpfung von traditionellen Präsenzveranstaltungen mit digitalem Lernen. Es ist bereits heute die erfolgreichste Methode der Wissensvermittlung, Tendenz rasant steigend. Eine Entwicklung, die auch Aufsichtsräte umfasst. Der Aufsichtsrat kann sein Programm selbst modular konfigurieren, hier ein Vortrag, da eine digitale Lerneinheit, alles dokumentiert.
Die Weiterbildung über Fach-Zeitschriften (Print / digital) ist eine gute, vor allem immer aktuelle Ergänzung, gedruckte Bücher können heute gar nicht mehr mithalten.
Digitale Bücher gibt zur Weiterbildung von Aufsichtsräten keine.
Aufsichtsrats Qualifikation in Banken versus Kapitalgesellschaften
Die Europäische Union hat vor neun Jahren erstmals einen verpflichtenden Weiterbildungsnachweis für Aufsichtsräte von börsennotierten Unternehmen zur Diskussion gestellt. Der Versuch wurde mit aller Vehemenz abgeschmettert – die verpflichtend nachzuweisende Basisqualifikation samt jährlicher Weiterbildung auf Kontrollorgane von Finanzinstituten konzentriert. Allerdings müssen Banken (CRD IV) ihrem Kontrollgremium „ausreichend finanzielle und personelle Ressourcen zur Verfügung stellen, um der Weiterbildungsverpflichtung nachkommen zu können.“
Bei Banken legt der Vorstand seinem Aufsichtsrat die Palette an Maßnahmen vor, der Aufsichtsrat entscheidet, die Bank bezahlt. Diese Verpflichtung wird dem Vorstand zugerechnet.
Das Modell kann man diskutieren, das Resultat jedoch nicht!
Autorin: Dr. Viktoria Kickinger, Aufsichtsrätin
Dieses Interview ist zuerst erschienen auf www.4investors.de