Kommt das Thema Kryptowährungen in Deutschland auf, so tritt in aller Regel ein kurioser Zweispalt zutage. Einerseits werden sie unter den Begriff „Währung“ gefasst, funktional werden sie allerdings nur als hochvolatile Kapitalanlage wahrgenommen, deren einziger wertbildender Faktor ihr Marktpreis in einer anderen Währung wie Euro oder US-Dollar ist. Dies sind indes zwei grundlegend unterschiedliche Anwendungsfälle.
Ob eine Kryptowährung als Zahlungsmittel taugt, hängt von den eigenen Bezugswährungen ab, ergo: in welchen Währungen kann ich meine Geschäfte abwickeln? Für einen deutschen Verbraucher ist die Angelegenheit relativ einfach: Lebenshaltungskosten und Konsumausgaben werden in Euro beglichen. Bezugswährung ist also nur der Euro. Kryptowährungen taugen nicht als Zahlungsmittel. Wenn sich dieser Verbraucher nun allerdings zeitweise in der Schweiz oder in Liechtenstein aufhält, ist der Euro nicht mehr die einzige Bezugswährung, da Konsumausgaben auch in Schweizer Franken beglichen werden. Schweizer Franken werden für diesen Verbraucher – subjektiv – zu einem tauglichen Zahlungsmittel. Hält sich dieser Verbraucher nun zeitweise in El Salvador auf, wo Bitcoin gesetzliches Zahlungsmittel ist, wird Bitcoin für ihn – subjektiv – zu einem tauglichen Zahlungsmittel. Kurz gesagt: ob eine Kryptowährung als Zahlungsmittel oder Kapitalanlage zu betrachten ist, hängt davon ab, ob damit unmittelbar eine Zahlungsverpflichtung erfüllt werden kann oder nicht. Ist dies möglich, so ist der Wechselkurs zwischen Euro und Bitcoin unerheblich.
Aus unternehmerischer Perspektive ist dies besonders interessant, da die Verwendung mehrerer Währungen im Geschäftsbetrieb üblich ist. Wer etwa Geschäftsbeziehungen zu einem Rohstofflieferanten in Ecuador unterhält, wird unter Umständen die Landeswährung US-Dollar standardmäßig als Zahlungsmittel vorhalten – oder darauf angewiesen sein, dass die Banken die Transaktion zu günstigen Konditionen abwickeln.
In diesem Zusammenhang sollte die Entwicklung rund um Bitcoin im Auge behalten werden. Denn in mehr und mehr Ländern wird die Kryptowährung als Zahlungsmittel sowohl im B2B- als auch im B2C-Bereich und teilweise sogar im öffentlich-rechtlichen Kontext akzeptiert. Einige Beispiele: der Schweizer Kanton Zug erlaubt das Begleichen von Gebühren- und Steuerforderungen bis zum festgesetzten Wert von 100.000 CHF in Bitcoin. Bitcoin ist gesetzliches Zahlungsmittel in El Salvador. Honduras hat denselben Schritt bereits angekündigt. In Panama liegt ein entsprechender Gesetzesentwurf derzeit der Gesetzgebungskammer vor, die Erfolgsaussichten sind hoch – unter anderem wegen einer fortgeschrittenen Verbreitung in der Privatwirtschaft. In Kroatien handeln Lebensmittelhändler und Supermärkte teils mit Bitcoin. Die US-Bundesstaaten Arizona und Texas machen sich innerhalb der USA für die Bitcoin-Adoption stark. Die Aufsichtsbehörden in den USA gestatten Unternehmen, die der Bankenaufsicht unterliegen, unter gewissen Voraussetzungen, die vorgeschriebenen Liquidität sichernden Eigenmittel in Bitcoin vorzuhalten. Zudem etabliert sich in den USA, ähnlich wie in Paraguay und El Salvador, eine große Mining-Branche – der Fall Paraguays ist hierbei besonders interessant, da Paraguay seine Energie zu hundert Prozent aus erneuerbaren Quellen bezieht und somit den Nachhaltigkeitscharakter des Bitcoin-Netzwerkes unterstreicht (der Anteil erneuerbarer Energien liegt im Bitcoin-Netzwerk ca. 50 % höher als in der gesamten deutschen Stromproduktion).
Oben wurde bereits angesprochen, dass Bitcoin auf einem reinen Peer-to-Peer Netzwerk aus anonymen Nodes beruht. Mangels einer kontrollierbaren zentralen Institution ist Bitcoin gegen jegliche Regulierungsversuche resistent. Coins, deren private key auf einer Hardware-Wallet sicher gespeichert ist, können nicht zugeordnet werden. Ebenso können ohne den key keine Konfiskationen realisiert werden. Transaktionen durch äußere Einwirkungen zu blockieren ist nicht möglich. Das Netzwerk ist somit weder durch staatliche Institutionen noch durch private Intermediäre – durch Banken – zu kontrollieren. Letztere werden im gesamten Prozess nicht benötigt, da Authentifizierung der Transaktionsbeteiligten sowie Validierung der Transaktion als solcher über die Blockchain erfolgen – was einen wesentlich erhöhten Sicherheitsstandard und den Parteien einen hohen Grad an Autonomie bietet.
Einer der interessantesten Faktoren am gesamten Netzwerk ist allerdings, dass die Protokolle den Gewinn neuer Bitcoin nach einem klar vorgegebenen Schema an Energie- und Zeitaufwand koppeln. Eine gezielte Mehrerzeugung ist mithin nicht möglich, was den Bitcoin von Fiat-Währungen unterscheidet. Das Wort „Fiat“ stammt aus dem Lateinischen und bedeutet „es geschehe“. Mit diesem Ausdruck wird das Phänomen bezeichnet, dass staatliche Institutionen die Macht haben, etwas Wertloses (in Massen verfügbares Papier) einfach zu etwas Wertvollem („begrenzte“ Geldmenge) zu erklären – dass dies de facto nicht funktioniert, sagt bereits der gesunde Menschenverstand. Der Fiat-Standard ist der vorherrschende Währungsstandard, seit 1971 das Bretton-Woods-System außer Kraft gesetzt wurde, das von 1944 bis dato den US-Dollar als globale Leitwährung zu einem festen Kurs an den Goldbestand der Federal Reserve gekoppelt hatte. Dank des Goldstandards war die Erschaffung neuen Geldes an Energie- und Zeitaufwand gebunden, da vor der Ausgabe von Geld Gold gefördert werden musste. Nach der Entkoppelung war es den Zentralbanken möglich, Geld in beliebiger Menge in Umlauf zu bringen – wovon sie auch fleißig Gebrauch machten. Die verfügbare Geldmenge an Euro erhöhte sich in den zwei Jahren der Corona-Pandemie um ca. 30 %, die in US-Dollar verfügbare Geldmenge um 40 %. Eine Geldmengenausweitung, die praktisch zwangsläufig zur Inflation führt, bestraft kapitalerhaltende Maßnahmen und belohnt Fremdkapitaleinsatz, da sowohl die gehaltenen als auch die geschuldeten nominalen Werte der Inflation unterliegen. Dies erklärt auch, warum seit Einführung des Fiat-Standards immer wiederkehrende Wirtschaftskrisen infolge von Spekulationsblasen zu beobachten sind: spekulative Geschäfte mit Fremdkapitalhebel sind mit einer inflationären Währung erst einmal attraktiver als überlegtes eigenkapitalschonendes wirtschaften.
Da Bitcoin nicht beliebig herausgegeben werden kann, unterliegt er nicht der Inflationsdynamik der Fiat-Währungen. Für nachhaltig und bewusst wirtschaftende Unternehmen, die ihr geschäftliches Risiko im Rahmen halten wollen, sind die Entwicklungen rund um Bitcoin als neue, wertstabile Währung daher hochinteressant (An dieser Stelle gilt es, Wert und Preis auseinanderzuhalten!).
Im dritten Teil wird es um die Behandlung von Bitcoin und Krypto-Assets in der Rechnungslegung gehen.
Nachtrag, Stand 01.05.2022: Bitcoin ist mittlerweile auch gesetzliches Zahlungsmittel in der Zentralafrikanischen Republik. Der Gesetzesentwurf in Panama, der Bitcoin zu einem universell nutzbaren Zahlungsmittel macht, hat die Nationalversammlung bereits passiert und liegt dem Präsidenten vor.
In Honduras führt die Zentralbank derzeit noch einen Streit um die verfassungsrechtliche Machbarkeit. Die enorme Verbreitung von Bitcoin-Zahlungen in der Privatwirtschaft von Honduras dürfte die volle Adoption allerdings zum einzig logischen nächsten Schritt machen.
Autor: Tobias Nielsen
Unternehmensrecht Aktuell ist ein juristischer Fachblog, begründet von Johannes Kurzbuch und Tobias Nielsen.