Eine nachhaltige und kostengünstige Strategie beim Abbau älterer Mitarbeiter

16. Nov. 2021 | Der Aufsichtsrats-Blog, Finanzinstitute, Kapitalgesellschaften, Management

Gastbeitrag von Yani Neugebauer

(IHRE MARKTNISCHE – Neustart 50plus)

Die Nachwirkungen der Corona-Krise, veränderte Märkte und die Transformation der Wirtschaft stellen große und kleine Unternehmen vor massive Herausforderungen. Eine wichtige Maßnahme ist der „sozialverträglicher Stellenabbau entlang der demographischen Kurve“. Dieser trifft oft ältere und erfahrene Mitarbeiter 50plus, die auf dem Arbeitsmarkt besondere Hürden nehmen müssen. So gelingt einigen erst nach langem Suchen der Wiedereinstieg, oft nur mit einer Tätigkeit, die unter ihren Qualifikationen liegt.

Da diese Hürden bekannt sind, müssen Unternehmen den Betroffenen den Ausstieg mit attraktiven Abfindungspaketen schmackhaft machen. Die Trennungskosten liegen schnell im sechsstelligen Bereich. Outplacement-Beratung und Bewerbungstrainings mit einem vom Unternehmen ausgewählten Anbieter sind häufig Teil der Pakete.

Hinzu kommt: Wenn Fach- und Führungskräfte endgültig von Bord gehen, bedeutet dies einen enormen Verlust an Erfahrungen, Detailwissen und technischem Know-how. Zudem fallen persönliche, teils informelle Netzwerke der Mitarbeiter – innerhalb und außerhalb der Betriebe – weg.

Schließlich: Bei der Einstellung neuer Mitarbeiter entstehen erneut Kosten für die Rekrutierung und die Einarbeitungszeit. Häufig werden Trainer und Berater engagiert, um den Wissensverlust auszugleichen.

Vorteile der nachhaltigen Strategie

Dieser Artikel beschreibt eine kostengünstige und nachhaltige Strategie des Personalabbaus von erfahrenen Fach- und Führungskräften. Diese Strategie ist nicht für die gesamte Belegschaft geeignet. Sie bringt jedoch Vorteile mit sich, die nicht unterschätzt werden sollten:

• attraktivere Perspektiven für die Betroffenen,
• geringere Trennungskosten für die Arbeitgeber,
• Wahrung des Erfahrungsschatzes für die Unternehmen.

Wie tickt die Generation 50plus?

Menschen in der Lebensmitte werden häufig verkehrt eingeschätzt und kämpfen gegen Vorurteile. Daher vorausgeschickt ein paar Einblicke und Umfrageergebnisse:

● Die Generation 50plus ist wesentlich fitter und gesünder als alle Vorherigen. Die statistische Lebenserwartung steigt und liegt heute bei 80plus. Das heißt, Personen mit 50plus gehören nicht zum alten Eisen. Sie haben noch bis zu 25 Jahre aktives Leben vor sich.

● 67 Prozent der 50- bis 75-jährigen wollen länger als gesetzlich vorgesehen arbeiten, wenn die Arbeit bestimmte Bedingungen erfüllt. 78 Prozent sind für einen Neustart im Alter offen. (Quelle: Forsa Umfrage für die Körber Stiftung)

● Die Risikobereitschaft der Älteren ist vorhanden. Viele wünschen sich auch in Zukunft eine sinnvolle Tätigkeit, in der sie ihre Erfahrungen nutzen können. Geldverdienen steht häufig nicht mehr im Vordergrund, wenn die Kinder aus dem Haus sind und schon ein finanzielles Polster vorhanden ist.

● Eine Festanstellung in Unternehmen, der steigende Leistungsdruck und Fremdbestimmung sind für viele unattraktiver als selbstbestimmtes Arbeiten mit einer Tätigkeit, die Anerkennung findet und in der sie ihre Kernkompetenzen einsetzen können.

● Die meisten vermissen nach dem Austritt das soziale Umfeld und ihren Kollegenkreis. Besonders bei Alleinstehenden besteht die Angst vor Einsamkeit und Identitätsverlust. In einer beruflichen Aktivität bis ins Alter sehen viele eine attraktive Perspektive.

● Ungefähr jeder Fünfte kann sich eine selbständige Tätigkeit vorstellen, hat jedoch keine konkrete Geschäftsidee. Gründung ist Neuland, und den Protagonisten fehlt ein Plan, wie sie vorgehen können. Den ersten Auftrag zu gewinnen, wird als größte Schwierigkeit gesehen.

Fazit: Viele erfahrene Fach- und Führungskräfte hegen den Wunsch, beruflich aktiv zu bleiben. Für die Option „Start in die Selbständigkeit“ sind viele offen, wenn die Tätigkeit ihnen liegt und sie einen ersten Auftrag haben.

Wie Personen mit 50plus ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhöhen

Einerseits wollen Personen mit 50plus aktiv bleiben; andererseits wünschen sie sich eine andere Art der Tätigkeit, die Nutzung ihrer Kernkompetenzen und die Vereinbarkeit von beruflichen und anderweitigen Verpflichtungen.

Stellenangebote, die ihre Berufsträume erfüllen, gibt es selten. Kleine und junge Unternehmen benötigen zwar das Know-how, sie haben jedoch nicht das nötige Budget, um erfahrene Fach- oder Führungskräfte fest einzustellen.

Die Lösung für den Arbeitssuchenden 50plus kann eine hybride Strategie sein, in der die Kandidaten auch offen für die Übernahme kleiner Projekte in Form einer Selbständigkeit sind. Unsere Erfahrung zeigt: Mit dieser Strategie gelingt der Wiedereinstieg.

Wie Unternehmen die Lust der Älteren auf Selbständigkeit nutzen können

Unternehmen, die aus Kostengründen Personal abbauen müssen und gleichzeitig daran interessiert sind, die Erfahrungen und das Know-how der betroffenen Mitarbeiter weiter für sich zu nutzen, sollten neben Outplacement auch immer die Option „Start in die Selbständigkeit“ anbieten.

Der Schritt in die Selbständigkeit ist nicht für jeden geeignet: Lust auf Unternehmertum und eine gewisse Risikobereitschaft sollten vorhanden sein. Außerdem sollte der Gründer in einem Tätigkeitsfeld aktiv werden wollen, das ihm liegt und für das es einen realistischen Markt gibt.

Angestellte, die für den Weg in die Selbständigkeit offen sind, sollten für eine professionelle Gründerberatung optieren können. Vorzugsweise während sie noch fest angestellt sind. So können sie parallel ihre Selbständigkeit planen und aufbauen und den sanften Übergang schaffen. Diese Beratung kann sogar staatlich gefördert werden.

Besonders vorteilhaft für den bisherigen Arbeitgeber kann es sein, wenn sich bei der Positionierung der angehenden Unternehmer herausstellt, dass sie ihre bisherigen beruflichen Kernkompetenzen und ihr Know-how auch im Rahmen ihrer Selbständigkeit nutzen werden und daraus ein attraktives Angebot entwickeln – also nicht etwas „ganz anderes“ machen wollen. Der bisherige Arbeitgeber kann dann zum Auftraggeber werden und dem Gründer den ersten Auftrag erteilen.

Wichtig ist: Dieser Auftrag darf keine direkte Fortführung der bisherigen Arbeit sein, da sofort der Verdacht auf Scheinselbständigkeit entsteht; außerdem darf unter anderem keine Weisungsgebundenheit vorhanden sein. Eine Tätigkeit für seinen früheren Arbeitgeber bedeutet für den Gründer einen Rollenwechsel: Er agiert nun „von außen“ in einem Umfeld, das im vertraut ist, beispielsweise als Berater von Teams oder Führungskräften oder im Rahmen von Sonderprojekten, für die die besonderen Erfahrungen und das Know-how des Gründers hilfreich sind.

Den erfolgreichen Schritt in die Selbständigkeit kann ein Unternehmen darüber hinaus aktiv unterstützen, indem Empfehlungen ausgesprochen werden und so die Gewinnung weiterer Aufträge erleichtert wird. Selbstverständlich besteht das Recht auf Konkurrenzklauseln. Kleine Unternehmen, die Nischenanbieter in derselben Branche tätig sind, können so von dem Expertenwissen profitieren.

Die Vergütung muss angemessen sein, damit der Gründer die Risiken einer Selbständigkeit tragen kann und eine solide Beziehung entsteht. Der Arbeitnehmer sollte vom Unternehmen auch ein gutes Abfindungspaket bekommen, das Sicherheit für den Start in die Selbständigkeit bietet. Die Höhe dieses Abfindungspaketes wird voraussichtlich weit unter dem normalen Abfindungspaket liegen, da neue Perspektiven vorhanden sind.

Warum die Trennungskosten sinken

Diese wertschätzende Trennungsstrategie mit der Option Selbständigkeit kann zu einem Win-Win für Betroffene und Unternehmen führen. Der Personalabbau kann zur Chance für diejenigen werden, die ihre Berufsphase mit einer erfolgversprechenden und erfüllenden Tätigkeit krönen möchten.

Wenn loyale Mitarbeiter erkennen, dass sie auch in Zukunft Kontakt zu ihrem ehemaligen Arbeitgeber und zu Kollegen haben werden, sich auf ihre Lieblingstätigkeit konzentrieren können und bei dem Schritt in die Selbständigkeit aktiv unterstützt werden, gewinnt der Ausstieg aus dem Unternehmen an Attraktivität.

Ist das der Fall, werden auch die Kosten für die Trennung deutlich geringer ausfallen.

Dieser Artikel wurde von Yani Neugebauer (IHRE MARKTNISCHE – Neustart 50plus) verfasst. Seit 2007 unterstützt sie Fach- und Führungskräfte in der Lebensmitte bei ihrem beruflichen Neustart. Im „Neustart 50plus-Podcast“ führt sie Interviews mit Betroffenen, Personalleitern und anderen Experten. Sie war Gastsprecher in „Der Achte Tag“ von Gabor Steingart mit dem Beitrag: „Die Kraft der Generation 50plus“.

Weitere Infos auf: www.ihremarktnische.de und https://www.linkedin.com/in/yanineugebauer50plus

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