Offene, konstruktive Kommunikation für erfolgreiche Aufsichtsräte

19. Jul. 2024 | Der Aufsichtsrats-Blog, Finanzinstitute, Kapitalgesellschaften

Gastbeitrag von: Ralf Schneitz, CONVERSANT Germany

Vertrauen gewinnen: Die Bedeutung von Konversation

In der heutigen Geschäftswelt wird es immer schwieriger, auf allen Führungsebenen ein genaues Verständnis der Realität zu bekommen, das als solide Grundlage für fundierte Entscheidungen dienen kann. Dies liegt vor allem an der zunehmenden Dynamik und Komplexität. Insbesondere Mitglieder von Aufsichtsgremien sind darauf angewiesen, den Informationen und ihren Überbringern vertrauen zu können. Es ist entscheidend, dass sie selbst als vertrauenswürdig wahrgenommen werden, um genau und transparent zu erfahren, was den Tatsachen entspricht. Gegenseitiges Vertrauen bildet eine unverzichtbare Grundlage für die erfolgreiche Arbeit zwischen Aufsichtsgremien und Unternehmensleitung.

Wie kann ich als Aufsichtsrat dieses gegenseitige Vertrauen aufbauen?

In der heutigen Zeit ist es entscheidend, aktiv an einem Vertrauensverhältnis zu arbeiten, insbesondere in Führungspositionen wie Geschäftsführung, Vorstand, Beirat oder Aufsichtsrat. Meine Erfahrung von über 30 Jahren in der Zusammenarbeit mit Führungspersönlichkeiten hat gezeigt, dass überdurchschnittlich Erfolgreiche in der Lage sind, über den Informationsaustauch hinausgehende Gespräche zu generieren, die dieses gegenseitige Vertrauen erzeugen.

Durchschnittliche Führungskräfte beenden Gespräche, sobald sie gehört haben, was sie hören wollten. Sie scheuen weitere Fragen, möglicherweise aus Angst davor, es könnte als Kontrolle oder Misstrauen aufgefasst werden. Erfolgreiche Führungskräfte hingegen wissen, dass die Qualität der weiterführenden Gespräche entscheidend ist. Die Konversation kann die Identifizierung für Herausforderungen, die Qualität der Antworten sowie das gegenseitige Vertrauen steigern. Ein wesentlicher Aspekt dabei ist, eine möglichst akkurate Beschreibung der Tatsachen zu erhalten.

Durch die Fähigkeit, offene und konstruktive Gespräche zu generieren, können Aufsichtsräte sicherstellen, dass sie gut fundierte Entscheidungen treffen und vertrauensvolle Beziehungen aufbauen. Dafür ist für ein weiteres Verständnis zunächst wichtig, den Unterschied zwischen Kommunikation und Konversation zu verstehen.

Konversation vs. Kommunikation

Etymologie und Bedeutungswandel

DUDEN – Etymologie: Während Kommunikation (lat. communicato) noch im 18. Jh. eher „Mitteilung, Unterredung“ bedeutete, wurde im 20. Jh. unter dem Einfluss des engl. communication daraus eher „Verständigung, Informationsaustausch“. Eine Entwicklung eindeutig auf Kosten der im 16. Jh. bereits etablierten verbalen Konversation (frz. conversation „Unterhaltung, Verkehr, Umgang“) und damit der Qualität der Gespräche und dem Umgang miteinander.

Kommunikation hat sich zunehmend zu einem Informationsaustausch entwickelt, was dazu geführt hat, dass Konversation als zwischenmenschlicher Umgang miteinander vernachlässigt wurde. In der heutigen Zeit, durch Digitalisierung und KI, wird die Kommunikation zunehmend zu einem ultraschnellen Austausch von Informationsfülle und Wissen.

Es ist an der Zeit, dem Gespräch (Konversation) wieder mehr Bedeutung beizumessen und sich bewusst zu machen, wie essenziell wichtig dies für Entscheidungsträger ist.

Missverständnisse beim Zuhören

Die überwiegende Mehrheit gebildeter Menschen denkt, sie könne gute Gespräche führen und insbesondere, dass sie gute Zuhörer sind. Nur versuchsweise, ziehen Sie einmal in Betracht, dass dies ein Irrtum ist. Ein folgenschwerer, insbesondere für Führungspersönlichkeiten, die nach eigener Auskunft 70-90% ihrer Zeit mit Gesprächen verbringen. Das Potential an Zeitverschwendung für letztlich eher nutzlose Gespräche ist enorm. Ganz zu schweigen davon, dass viele wichtige Gespräche nicht oder zu spät geführt werden.

Vertrauen aufzubauen geschieht wesentlich in Konversation. Lassen Sie uns als nächstes die wesentlichen Elemente von Vertrauensaufbau, die Rolle von Konversation und die praktische Umsetzung näher betrachten.

Vier Säulen der Vertrauenswürdigkeit

Das folgende Modell kann als mentales Bild dienen, um uns daran zu erinnern, vertrauenswürdig zu sein. Wir unterteilen die vier Säulen in zwei Abschnitte und unterscheiden zwischen dem Überzeugen von Menschen auf kognitiver Ebene durch Kommunikation (Kognitive Intelligenz – IQ) und dem Gewinnen von Menschen auf emotionaler Ebene durch Konversation (Emotionale Intelligenz – EQ). Tatsächlich sind beide ergänzend notwendig, um Vertrauen aufzubauen.

Zugehörigkeit und Expertise als Grundlage für Vertrauen

In der heutigen Zeit ist es für Aufsichtsräte entscheidend, eine klare Zugehörigkeit zu einer etablierten Institution oder Organisation zu zeigen. Dies fördert Akzeptanz, Vertrauen und legt eine solide Basis für die Beziehung zu anderen Stakeholdern. Ebenso wichtig sind die Expertise, fachliche Kompetenz, erworbenes Wissen und Erfahrung. Zusätzliche rhetorische Fähigkeiten können die Überzeugungskraft stärken und die Kommunikation verständlicher gestalten. Kommunikation als Übermittler von Information ist ein wesentliches Element der kognitiven Intelligenz (IQ).

Überzeugen durch Erfahrung, Wissen und Kommunikation

Menschen können durch Zugehörigkeit und Expertise überzeugt werden. Dies kann Vertrauen fördern, ist aber nicht zwingend erforderlich. Um andere zu überzeugen, reicht es nicht aus, nur Informationen bereitzustellen; auch kognitive Intelligenz und effektive Kommunikation sind entscheidend. Der Austausch von Informationen und die Präsentation von Ideen und Lösungen spielen dabei eine wichtige Rolle.

Da jeder individuelle Erfahrungen, Expertisen sowie Zugang zu umfangreichen Datenmengen und neuen Informationen hat, ist kontinuierliche Überzeugungsarbeit erforderlich. Die neuen Generationen, die mit dem Internet aufgewachsen sind, haben einen beispiellosen Zugang zu Daten und Wissen. Dies kann es erschweren oder sogar unmöglich machen, sie mit Erfahrung zu überzeugen. Sie orientieren sich, was Anliegen anbetrifft, eher mit Work-Life-Balance, sinnhaftem oder mobilem Arbeiten.

Vertrauen gewinnen durch essenzielles Verständnis

Essenzielles Verständnis bedeutet, die Anliegen, Bedenken sowie tatsächliche Bedingungen anderer zu erkennen und zu respektieren. Dies ist ein wesentliches Element der Emotionalen Intelligenz (EQ) und kann (noch) nicht von KI ersetzt werden. Um Vertrauen aufzubauen, ist es wichtig, anderen dieses Gefühl zu schenken, das sich einstellt, wenn ihre Anliegen erkennbar respektiert werden. Menschen äußern jedoch häufiger ihre Bedenken und seltener, was ihnen wirklich wichtig ist. Die Fähigkeit, auch daraus Anliegen zu erkennen, ist wesentlich und kann in jedem Alter erlernt werden.

Durch Machbarkeit Vertrauen festigen

Als Aufsichtsrat ist es entscheidend, Vertrauen in eine Strategie, ein Potenzial, ein Budget, Ziel, etc. zu festigen, indem man erkennt, dass sich jemand nachvollziehbar mit der Machbarkeit auseinandergesetzt hat. Ohne dies ist es schwierig zu erkennen, ob die Realität und die verfügbaren Ressourcen (Zeit, Manpower, Budget) angemessen berücksichtigt wurden. In solchen Fällen kann ein Aufsichtsratsmitglied nicht ausreichend ein Gefühl für das Unternehmen entwickeln, um fundierte Entscheidungen zu treffen.

Zusammenfassung: Die Qualität der Konversation ist ein wesentliches Element, um Menschen zu gewinnen

Das Verständnis für wichtige Anliegen und die Fähigkeit, Möglichkeiten in Machbarkeit überzuleiten, sind nach unserer Erfahrung unverzichtbare Komponenten, um Vertrauen aufzubauen. Beides erfordert Konversation (Zuhören, Sprechen). Die Qualität des Zuhörens spielt wohl die entschiedenste Rolle beim Aufbau von Vertrauen.

Durch Fragen (auch kritisches Hinterfragen) lässt sich die Art des Zuhörens erkennen, und dies hat wesentlichen Einfluss darauf, was gesagt wird bzw. werden kann. Hier öffnet sich für einen Aufsichtsrat die Tür zur Realität des Unternehmens, weit oder nur ein kleiner Spalt.

Der Akt des “Vertrauensgewinnens” ist emotional, manifestiert sich im Umgang mit Menschen, ist nicht konzeptionell, nicht unbedingt auf die gleiche Weise wiederholbar und nicht von anhaltender Dauer. Wir spüren deutlich, wenn es geschieht.

Zwischenmenschliche Vertrauensverhältnisse sind ein wesentlicher Bestandteil unserer Lebensqualität. Es gibt viele Aspekte in diesem Beitrag, die man, um sie zu erlernen, ein stückweit erleben muss. Sie nur zu verstehen, reicht meist nicht aus.

Wenn Sie mehr erfahren wollen, sehr gerne. rsdirekt@conversant.de

Über den Autor: Ralf Schneitz, CONVERSANT GmbH | https://conversant.de/ | E-Mail: info@conversant.de

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