Die europäische Finanzbranche hat in den letzten Jahren eine wichtige Rolle als Katalysator für die nachhaltige Transformation der Wirtschaft übernommen. Ein Produkt, das zu dieser Entwicklung beiträgt, ist der sogenannte “#sustainability Linked Loan” (Kredit mit Nachhaltigkeitsbindung): Dabei ist der Zinssatz des Kredits an das Erreichen bestimmter Kenngrößen (Key Performance Indicators – KPIs) in Bezug auf Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien (Environmental, Social, Governance – #esg ) geknüpft. Das Produkt feierte bereits im Jahr 2017 mit einer Transaktion von Philips sein Debüt. Seitdem hat sich der Markt für ESG-gebundene Finanzierungen deutlich entwickelt und ist zu einem wichtigen Produkt für Banken sowie zu einem integralen Bestandteil der Nachhaltigkeitsstrategie von Unternehmen geworden. Heutzutage sind Unternehmensfinanzierungen ohne ESG-KPIs die Ausnahme.
Was steckt hinter den Zielen?
ESG-KPIs legen in Kreditverträgen Zielwerte fest, deren Erfüllung oder Nichterfüllung sich geringfügig auf den Zinssatz auswirkt. Diese Kennzahlen können stark variieren und reichen von Aspekten wie dem Anteil nachhaltiger Technologieprodukte am Gesamtumsatz eines Unternehmens, zum Beispiel Elektrofahrzeuge in der Automobilindustrie, über das Volumen der Treibhausgasemissionen – sowohl aus Quellen, die direkt vom Unternehmen kontrolliert werden, als auch aus indirekt bezogener Energie – bis hin zum Verbrauch bestimmter Wasserressourcen.
Als KPIs können sowohl die ESG-Bewertungen spezialisierter Ratingagenturen nach unterschiedlichen und nicht standardisierten Methodologien als auch Faktoren wie die Diversität in Managementgremien oder die Unfallrate in der Produktion vereinbart werden. In der Regel sind die KPIs bei nachhaltigkeitsgebundenen Krediten sehr individuell auf das jeweilige Unternehmen und die Rahmenbedingungen der Branche zugeschnitten.
Um die Einhaltung dieser KPIs nachvollziehen zu können, vereinbaren Kreditgeber und ihre Kunden Berichts- und Überprüfungsmechanismen. Im Falle einer Nichteinhaltung der ESG-KPIs führt dies nicht zur Kündigung des Kredits, sondern zu einer Erhöhung des Zinssatzes. Darüber hinaus dürfen Unternehmen, die diese Kennzahlen nicht ermitteln oder nachweisen können, ihre Finanzierung nicht mehr als “ESG-gebunden” kennzeichnen. Dies hat einen immer stärkeren Einfluss auf die Kreditrisikobewertung und bietet zusätzliche Anreize für nachhaltiges Wirtschaften.
Neben den im Kontext der Finanzierung vereinbarten Kennzahlen gibt es auch gesetzliche ESG-KPIs. Die EU-Taxonomie-Verordnung definiert die Voraussetzungen für eine nachhaltige Wirtschaftstätigkeit und legt Kennzahlen fest, die von Unternehmen in der EU offengelegt werden müssen. Diese Offenlegungspflicht betrifft letztendlich alle Unternehmen, die gemäß der EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (#CSRD) einen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlichen müssen und einer Prüfung durch Dritte unterliegen. Ab dem Berichtsjahr 2024, gestaffelt bis 2026, betrifft dies alle großen Unternehmen und alle kapitalmarktorientierten Unternehmen in Europa.
Was muss offengelegt werden?
Derzeit betrifft die Offenlegungspflicht sogenannte #Nichtfinanzunternehmen und drei KPIs: den Anteil ökologisch nachhaltiger Umsätze am Gesamtumsatz, den Anteil ökologisch nachhaltiger Investitionen an den Gesamtinvestitionen und den Anteil ökologisch nachhaltiger Betriebsausgaben an den Gesamtausgaben.
Die ersten Offenlegungen zeigen deutliche Unterschiede. Dies liegt unter anderem daran, dass nur Wirtschaftstätigkeiten, die von der Taxonomie erfasst werden, als ökologisch nachhaltig bewertet werden können. Das kommt Stromversorgungsunternehmen zugute, die von einem hohen Anteil erneuerbarer Energien bei der Stromerzeugung profitieren, sowie der Automobilindustrie.
Biotechnologie- oder Telekommunikationsunternehmen haben bisher jedoch sehr niedrige KPIs offengelegt, da sich ihre Tätigkeiten aufgrund der technischen Taxonomie Kriterien kaum bewerten lassen. Gleiches gilt für Holdingunternehmen, deren Geschäftstätigkeit aufgrund fehlender Umsätze nicht für eine Taxonomie-Einstufung in Frage kommt. Dies bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass diese Unternehmen weniger nachhaltig sind. Die Taxonomie-KPIs haben derzeit hauptsächlich branchenspezifische Aussagekraft.
Unternehmen stehen nun vor zwei Herausforderungen. In einer idealen Welt würden sie in einer ESG-gebundenen Finanzierung KPIs der Taxonomie verwenden, was jedoch unmöglich ist. Daher müssen Unternehmen – oft in komplexen und internationalen Konzernstrukturen – Daten für zwei verschiedene KPI-Sets liefern, die zwar zusammenhängen können, dies jedoch nicht unbedingt müssen. Es existieren zwei parallele Regime nebeneinander, deren Ergebnisse unterschiedlich ausfallen können, aber letztendlich ein gewisses Maß an Konsistenz aufweisen müssen.
Für einige Unternehmen und Branchen werden die Ergebnisse der maßgeschneiderten Finanzierungs-KPIs und der Taxonomie-KPIs stark voneinander abweichen. Eine Holdinggesellschaft eines Automobilkonzerns wird niemals einen ökologisch nachhaltigen Umsatz ausweisen können, auch wenn der Konzern ausschließlich Elektroautos produziert. Diese Herausforderung müssen betroffene Unternehmen bei ihrer Kommunikation auf dem Markt berücksichtigen.
Fachredaktion Directors Academy, A. Rat