Gastbeitrag von Dr. Walter Demmelhuber – Aufsichtsratsvorsitzender der Hosokawa Alpine AG
Einer der grundlegenden Unterschiede zwischen Aktiengesellschaften und GmbHs ist, dass die Laufzeit der Vorstandsverträge in §84 AktG gesetzlich geregelt ist, während Laufzeiten von GmbH-Geschäftsführern durch die Gesellschafter bzw. einen vorhandenen Aufsichtsrat oder Beirat deutlich freier gestaltet werden können. Aufsichtsräte von Aktiengesellschaften sollten mehr von der Option Gebrauch machen, beidseitige Sonderkündigungsregeln in Vorstandsverträge vorzusehen, um bei Differenzen Trennungen auf Augenhöhe zu ermöglichen und langwierige und kostenträchtige Nachforschungen für (herbeigeführte) Kündigungsgründe zu vermeiden.
Vorstände und Geschäftsführer unterscheiden sich in ihren Vertragslaufzeiten, was zu Spannungen und kostspieligen Kündigungen führen kann. In diesem Zusammenhang plädiere ich dafür, das beidseitige Sonderkündigungsrecht auch für Vorstände zu ermöglichen. Eine solche Regelung würde es beiden Seiten ermöglichen, sich bei Meinungsverschiedenheiten auf Augenhöhe zu trennen, ohne dass langwierige und teure Nachforschungen nach Kündigungsgründen erforderlich sind.
Derzeit sieht das Gesetz vor, dass Vorstandsmitglieder nur aus wichtigem Grund abberufen werden können. Diese wichtigen Gründe umfassen grobe Pflichtverletzung, Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung oder den Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung. Allerdings wird in der Praxis oft versucht, geringfügige Verstöße oder Marginalien als grobe Pflichtverletzung zu konstruieren, um den Vorstandsvertrag kostengünstig aufzulösen, anstatt den Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung anzustreben.
Wenn Vorstandsverträge ein Sonderkündigungsrecht beinhalten würden, müsste sich der Aufsichtsrat nicht automatisch auf grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit berufen, sondern könnte das Mandat geordnet beenden, wenn sich die Bedürfnisse des Unternehmens geändert haben. Dies könnte insbesondere in Situationen, in denen eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht mehr möglich ist, zielführend sein und den Vorstand vor unnötigen Diffamierungen schützen.
Die Einführung eines Sonderkündigungsrechts würde die Kündigung eines Vorstandsmitglieds nicht vereinfachen, sondern lediglich klare Regeln dafür schaffen, was im Falle einer Kündigung geschieht. Bei Vorliegen eines wichtigen Grundes oder gemäß §626 BGB bestünde weiterhin die Möglichkeit einer fristlosen und abfindungslosen Kündigung. Das Sonderkündigungsrecht würde jedoch ermöglichen, dass nicht nach vorgeschobenen groben Pflichtverletzungen gesucht werden muss, sondern eine Beendigung erfolgen kann, wenn “es einfach nicht mehr passt”.
Die Definition eines Sonderkündigungsrechts würde die Vorstandsposition nicht schwächen, sondern vielmehr eine geordnete Trennung ermöglichen. Es wäre jedoch wichtig, klare Kriterien für einen wichtigen Grund festzulegen. Dies könnte beispielsweise Straftaten, Bilanzmanipulationen, Korruption oder Verstöße gegen die Geschäftsordnung umfassen. Es sollte jedoch vermieden werden, dass auch einfache Ordnungswidrigkeiten oder marginale Fehler als Kündigungsgrund herangezogen werden können.
Im Vergleich zu Geschäftsführern, die sowohl unbefristete Verträge mit Kündigungsmöglichkeiten als auch befristete Verträge haben können, fehlt es Vorständen oft an einer angemessenen Flexibilität bei der Vertragslaufzeit. Die Einführung eines beidseitigen Sonderkündigungsrechts würde zu einer ausgewogeneren Regelung führen.
Der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) gibt bereits erste Empfehlungen für das außerordentliche Ausscheiden eines Vorstandsmitglieds. Er besagt, dass Zahlungen bei vorzeitiger Beendigung der Vorstandstätigkeit den Wert von zwei Jahresvergütungen nicht überschreiten sollten und dass die Vergütung nicht höher sein sollte als die Restlaufzeit des Anstellungsvertrags. Es wäre jedoch sinnvoll, auch Empfehlungen für die Modalitäten der Aufhebung zu geben.
Statistiken zeigen, dass die durchschnittliche Verweildauer von Vorstandsmitgliedern in den letzten Jahren gesunken ist. Viele Verträge werden vorzeitig aufgelöst, was auf die veränderten Anforderungen und Herausforderungen in Unternehmen zurückzuführen ist. In Anbetracht dieser Entwicklungen sollte das beidseitige Sonderkündigungsrecht für Vorstände eingeführt werden, um eine faire und transparente Regelung zu schaffen.
Abschließend sollte der Aufsichtsrat als Kontrollorgan bei der Vertragsgestaltung über die Empfehlungen des DCGK hinausgehen und die Frage des beidseitigen Sonderkündigungsrechts für Vorstände sorgfältig prüfen. Insbesondere bei nicht börsennotierten AGs könnte dies dazu beitragen, eine Beendigung auf Augenhöhe herbeizuführen. Dabei könnte man sich an der langjährig bewährten Praxis orientieren, bei der Politiker durch Wahlen ein befristetes Mandat erhalten, um auch langfristige Ziele verfolgen zu können. Das Sonderkündigungsrecht wäre durch ein Misstrauensvotum der Volksvertreter (Parlament) abgesichert.
Zum Autor:
Dr. Walter Demmelhuber ist als Vorstand und zertifizierter Aufsichtsrat auf mittelfristige Mandate spezialisiert, in denen der Fokus auf internationaler Expansion, Optimierung der internen Abläufe und die Ausrichtung der Zukunftsfähigkeit liegt. Er hat im Laufe der Jahre internationale Erfahrung in Europa, Asien und Nord- und Südamerika gesammelt – unter anderem als Aufsichtsrat, Geschäftsführer und Vorstand mehrerer internationaler Unternehmen. Seine Kernkompetenzen liegen insbesondere in den Bereichen Strategie, Vertrieb, Supply Chain, R&D und der Produktion.