Warum Aufsichtsräte politischer werden müssen:

30. Sep. 2021 | Der Aufsichtsrats-Blog, Management

„Tragen Sie Verantwortung für Ihre Rolle in der Klimakrise!“ Diese Aufforderung an Aufsichtsrat und Vorstand auf der Hauptversammlung der Uniper SE kam aus dem Munde eines 17jährigen. Cedric Hoyer ist Mitglied der Fridays for Future-Bewegung. Auf Einladung des Dachverbandes der kritischen Aktionäre durfte er im Mai 2019 auf der Versammlung sprechen.

Unternehmerische Verantwortung avanciert zum Buzzword

Geltendes Recht einzuhalten, ist heute Minimum. Unternehmen sind inzwischen angehalten, die Auswirkungen ihres Handelns in alle Richtungen zu bedenken.

„Tragen Sie Verantwortung für Ihre Rolle in der Klimakrise“, fordert ein Schüler von einem Großkonzern und er ist nicht der einzige. Mit dem Thema Klimarettung hat die Protestbewegung Fridays for Future Meinungsführerschaft erlangt. Sie treibt Parteien, Verbände und Unternehmen vor sich her. „Schnelle, energische Maßnahmen“ gegen den Klimawandel und eine „sozial-ökologische Transformation“ zu fordern, gehört mittlerweile zum guten Ton.

Unternehmensführungen und Aufsichtsräte in schwieriger Lage

Sie müssen antizipieren, was die Gesellschaft unter verantwortlichem Handeln versteht. Wenn Aufsichtsräte tagen, bleiben gesellschaftliche Debatten meist vor der Tür. Ihre Bedeutung für das Unternehmen wird unterschätzt. Die CSR-Richtlinie hat Soft Law verrechtlicht. Alles, was als Non-Compliance ausgelegt werden könnte, kann ein Unternehmen in schwieriges Fahrwasser bringen.

Was ist zu tun?

Aufsichtsräte können im Rahmen ihrer beratenden Funktion den Anstoß geben, sich mit der neuen Situation intensiv auseinanderzusetzen. Im Vorstand und auf den nachgeordneten Ebenen. Das hat viel zu tun mit Unternehmenskultur. Führen heißt, den Elfenbeinturm zu verlassen und zuzuhören. Als außenstehende Kontrolleure haben Aufsichtsräte viele Möglichkeiten, sich kundig zu machen und den herrschenden Wertvorstellungen auf den Zahn zu fühlen. Diese werden Aufschluss darüber geben, wie stark das Thema CSR im Unternehmen verankert ist. Am Ende muss eine klare Position stehen, die stürmischen Hauptversammlungen standhält.

Aktuelle Situation als Chance

Politik wird heute über den Druck der Öffentlichkeit gemacht. Viel zu lange haben Unternehmensverantwortliche abseits gestanden und sich mit dem Verweis auf politische Neutralität das Ruder von den NGOs aus der Hand nehmen lassen. Sich an der Diskussion um CSR zu beteiligen, heißt, den erweiterten Verantwortungsbereich gestalten.

Als Außenvertretung der Unternehmen sind in erster Linie die Vorstände gefragt. Ein wohlverstandenes Lobbying für die Belange der Wirtschaft ist kein Mittel zur Verkaufsförderung. Es setzt sich ein für gute Rahmenbedingungen, die letztlich auch der Gesellschaft dienen. Dazu brauchen wir eine mutige Diskussion über das, was aus Unternehmenssicht machbar und erstrebenswert ist.

Wie vorgehen?

Das herauszufiltern und mit den gesellschaftlichen Strömungen abzugleichen, ist ein komplexes Unterfangen. Die große Stärke von Vorständen und Aufsichtsräten liegt in ihrem betriebswirtschaftlichen und juristischen Sachverstand. Um eine Position zu erarbeiten, die zum Unternehmen passt, ist es äußerst hilfreich, gesellschaftspolitische Beratung dazu zu holen. Der Aufsichtsrat kann Vorreiter sein und Anstoß geben.

Aufsichtsräte als aktive Gestalter

„Wir sind hier, wir sind laut“, schallt es freitags auf Deutschlands Straßen. Ein Ende ist nicht abzusehen. Höchste Zeit, dass Aufsichtsräte Antworten auf die Frage finden, was das mit dem Unternehmen zu tun hat, das sie kontrollieren. So gesehen ist die Fridays for Future-Bewegung ein Segen. Sie kann der Einsicht zum Durchbruch verhelfen, dass es zwischen grenzenloser Nachhaltigkeits-Euphorie und starrer Verweigerung Möglichkeiten gibt, die Zukunft auch im Sinne der Unternehmen zu gestalten.

Dr. Christina M. Arndt

Dr. Christina M. Arndt ist Politologin. Sie unterstützt Unternehmer bei der Identifikation politisch relevanter Handlungsfelder und zu Fragen gesellschaftlicher Entwicklungen. Während ihrer Promotion leitete sie das Büro eines Abgeordneten. Sie war Referentin für Wirtschaftspolitik in einem branchenübergreifenden Verband und beriet Dr. August Oetker, bis März 2019 Beiratsvorsitzender der Dr. August Oetker KG, zu Fragen der Nachhaltigkeit und Digitalisierung. E-Mail: Arndt.Christina@gmx.net

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