Was bedeutet das Krypto-Urteil des BFH für den Aufsichtsrat?

28. Mrz. 2023 | Der Aufsichtsrats-Blog, Finanzinstitute, Kapitalgesellschaften, Management

Gastbeitrag von Tobias Nielsen, Enterprise Mobility Solutions

In den vergangenen Wochen hat es hohe Wellen geschlagen: das letztinstanzliche Urteil des Bundesfinanzhofes (Az. IX R 3/22) vom 14.02.2023. Für Privatanleger und ihre nächste Jahressteuererklärung hat dieses Urteil erhebliche Folgen, für die unternehmerische Praxis hingegen scheint es zunächst irrelevant. Dieser Eindruck jedoch täuscht. Eine bestimmte Passage aus dem Urteil sollte bei jedem Aufsichtsrat, dessen Unternehmen in irgendeiner Form Kryptowährungen nutzt, für gespitzte Ohren sorgen.

Steuerpflicht und strukturelles Vollzugsdefizit

Auslöser des Rechtsstreits war ein Steuerbescheid, der dem Kläger von seinem Finanzamt zugestellt worden war. Der Kläger hatte zuvor im betreffenden Veranlagungszeitraum mit dem An- und Verkauf von Bitcoin, Ethereum und Monero einen Gewinn von etwa 3,4 Millionen Euro erzielt. Diese waren vom Finanzamt als sonstige Wirtschaftsgüter i.S.v. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes eingestuft und die erzielten Gewinne als Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften zur Bemessung der Einkommensteuer herangezogen worden. Der BFH trat der Auffassung des Klägers entgegen, bei der Besteuerung von Gewinnen aus Kryptogeschäften läge ein strukturelles Vollzugsdefizit vor – die Finanzbehörden hätten demnach hinreichende Kontrollinstrumente, um einen gleichmäßigen Vollzug der Steuererhebung sicherzustellen.

Kryptowährungen als Fremdwährungsreserve?

Warum sollte sich der Aufsichtsrat mit einem Urteil auseinandersetzen, das die Einkommensteuer von Privatanlegern betrifft? Die entscheidende Feststellung fiel in der Urteilsbegründung. Im Zuge der Analyse der rechtlichen Natur der betreffenden Kryptowährungen hieß es:

„Der Auffassung der Vorinstanz ist auch insoweit zu folgen, als sie die Wirtschaftsguteigenschaft der im Streitfall maßgeblichen Currency Token BTC, ETH und XMR ‑‑zumindest mittelbar‑‑ aus ihrer strukturellen Vergleichbarkeit mit Fremdwährungen gefolgert hat, welche […] Gegenstand eines privaten Veräußerungsgeschäfts […] sein können.“

Der BFH hatte bereits in einem Urteil am 02.05.2000 (Az. IX R 74/96) entschieden, dass der Tausch von Euro in Fremdwährungen und zurück unter Erzielung von Kursgewinnen ein privates Veräußerungsgeschäft darstellt. Zudem erkannte der BFH die Zahlungsmitteleigenschaft von Kryptowährungen in den maßgeblichen Verkehrskreisen an. Im Einkommensteuerrecht besteht insoweit kein Unterschied zwischen eingetauschten Fremdwährungen und anderen privat erworbenen Gütern. In der Rechnungslegung hingegen ist dieser Unterschied hochgradig relevant.

Status quo in der Rechnungslegung

In der Rechnungslegung ist die Sache eindeutig: sowohl nach dem HGB als auch dem IFRS sind Kryptowerte immaterielle Vermögenswerte, die mit ihrem Anschaffungspreis anzusetzen sind. Nun wirft die Urteilsbegründung des BFH die Frage auf, wie lange diese Rechtslage noch gelten wird. Würden (bestimmte) Kryptowährungen steuerbilanzrechtlich als Fremdwährungen eingestuft, müsste sich dies rein sachlogisch auch auf die Praxis der Rechnungslegung auswirken.

Die Steuerbilanz ist nicht mit der Handelsbilanz zu verwechseln, vielmehr wird die Steuerbilanz auf Basis der Handelsbilanz erstellt. Die Erstellung der Handelsbilanz zu begleiten, ist eine der Kernkompetenten des Aufsichtsrates. Dennoch sollte der Aufsichtsrat sich auch mit der Steuerbilanz auseinandersetzen, die im zweiten Schritt durch den Vorstand aufgestellt wird, um den steuerlichen Mitwirkungspflichten des Unternehmens nachzukommen. Denn ein Verstoß gegen diese Mitwirkungspflichten kann schwerste Sanktionen nach sich ziehen und dem Unternehmen empfindlichen Schaden zufügen – es obliegt dem Aufsichtsrat, gerade im Bereich der Steuern die Sorgfalt des Vorstandes genau im Auge zu behalten.

Ein Blick in die Zukunft

Sind Kryptowährungen künftig als Fremdwährungen zu bilanzieren? Im Steuerrecht scheint sich diese Entwicklung abzuzeichnen. Und auch im Handelsrecht bewegt sich einiges: Es gab bereits Fälle, in denen Unternehmen Bestände an Bitcoin als Fremdwährungsreserve bilanziert haben. Einige dieser Unternehmen verteidigen dieses Vorgehen derzeit vor Handelsgerichten und versuchen, eine entsprechende Einstufung von Kryptowährungen zu erreichen.

Die Indizien liegen nicht schlecht: Bitcoin ist bereits gesetzliches Zahlungsmittel in El Salvador und der Zentralafrikanischen Republik sowie faktisch akzeptiertes Zahlungsmittel in Panama, in Brasilien, in der Schweiz und in den US-Bundesstaaten Arizona und Wyoming. Wer, wenn nicht andere Staaten, kann einen liquiden Vermögenswert zur Fremdwährung erklären?

Es ist zu erwarten, dass diese Fälle den langen Weg bis zum BGH werden gehen müssen, bevor Klarheit herrscht. Sollte dies passieren, würde sich die gesamte Praxis der Rechnungslegung von einem Jahr auf das nächste einschneidend ändern. Aufsichtsräte bleiben gut beraten, sich in der Sache regelmäßig zu informieren und weiterzubilden. In puncto Kryptowährungen könnte ein Paradigmenwechsel in der Rechnungslegung bevorstehen.

Über den Autor:

Tobias Nielsen
Spezialist für Außensteuerrecht | Spezialist für B2B-Verträge

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