Wenn der Aufsichtsrat stillsteht-Wege aus der Blockade

15. Mrz. 2024 | Der Aufsichtsrats-Blog, Kapitalgesellschaften, Management

In Unternehmen können Konflikte innerhalb des Aufsichtsrats gravierende Auswirkungen haben, insbesondere wenn diese Konflikte dazu führen, dass der Aufsichtsrat handlungsunfähig wird. Ein kürzlich vom Bundesgerichtshof (BGH) entschiedener Fall (Beschluss vom 09.01.2024 – II ZB 20/22) bringt Licht in das Dunkel, wie mit einem Mitglied des Aufsichtsrats umzugehen ist, das durch sein Fernbleiben von Sitzungen die Beschlussfähigkeit des Gremiums blockiert.

Die Ausgangslage: Ein Boykott legt den Aufsichtsrat lahm

Im Zentrum dieses Falles standen die Aktionäre einer Aktiengesellschaft, die in einer ad hoc einberufenen Hauptversammlung ein weiteres Mitglied in den Aufsichtsrat wählten. Dieses neugewählte Mitglied verhinderte jedoch durch sein wiederholtes Fernbleiben von den Sitzungen jegliche Beschlussfassung, da gesetzlich zwingend die Teilnahme  von mindestens drei Aufsichtsratsmitgliedern für die Beschlussfähigkeit erforderlich war. Hintergrund dieses Boykotts war offenbar der Versuch, die Durchsetzung einer bedeutenden Forderung der AG gegen eine Erbengemeinschaft, der das Mitglied und seine Töchter angehörten, zu blockieren.

Der Rechtsweg: Keine ergänzende Bestellung möglich

Die Lösung des Problems schien zunächst in der Bestellung eines Ersatzaufsichtsratsmitglieds zu liegen. Diese Möglichkeit wurde jedoch von allen Instanzen, einschließlich des BGH, verworfen. Der BGH stellte klar, dass eine ergänzende Bestellung nach § 104 Abs. 1 AktG nur dann in Frage kommt, wenn dem Aufsichtsrat tatsächlich Mitglieder für eine Beschlussfassung fehlen. Im vorliegenden Fall war das Mitglied rechtlich und tatsächlich in der Lage, seine Aufgaben wahrzunehmen, wählte jedoch den Boykott als Mittel der Verhinderung.

Die Lösung: Abberufung des blockierenden Mitglieds

Als Ausweg aus dieser Sackgasse weist der BGH auf zwei Möglichkeiten hin: Die Abberufung durch die Hauptversammlung gemäß § 103 Abs. 1 Satz 1 AktG oder durch das Gericht auf Antrag des Aufsichtsrats bei Vorliegen eines wichtigen Grundes nach § 103 Abs. 3 AktG. Im vorliegenden Fall könnte der nachgewiesene Boykott als ein solcher wichtiger Grund angesehen werden.

Ein Präzedenzfall mit Signalwirkung

Der BGH-Beschluss setzt ein wichtiges Signal für die Handlungsfähigkeit von Aufsichtsräten und bietet einen rechtlichen Rahmen, um mit Mitgliedern umzugehen, die durch Boykott die Arbeit des Gremiums lahmlegen. Er verdeutlicht, dass die Abberufung ein effektives Mittel sein kann, um die Beschlussfähigkeit wiederherzustellen und die Interessen der Gesellschaft zu schützen.

Learnings

Die Entscheidung zeigt, wie riskant ein Aufsichtsrat mit nur drei Mitgliedern sein kann. Jede Gesellschaft sollte überlegen, eine über dem gesetzlichen Minimum liegende Mitgliederzahl festzulegen.

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