Der Bilanzmechanismus ist älter als die Reformation (über 500 Jahre) und geht auf kaufmännische Praktiken von Kaufleuten in Venedig zurück. Seither werden die Grundsätze von Ansatz, Bewertung und Ausweis unermüdlich diskutiert und weiterentwickelt. Sie finden ihren Niederschlag unter anderem in Gesetzen und Vorschriften zur Bilanzierung, die ihrerseits einem kontinuierlichen Wandel unterliegen.
Zuletzt haben die Manöver, die im Wirecard-Skandal sichtbar wurden, den Gesetzgeber zu ein paar neuen und angepassten Regeln motiviert. Sie finden Anwendung in einem Regulierungs-Öko-System, das von Vorschriften des HGB und bei börsengehandelten Unternehmen von den Prinzipien internationaler Rechnungslegung geprägt ist.
Der Aufsichtsrat und seine Bedeutung für den Jahresabschluss
Der Einfluss des Aufsichtsrates auf das Bilanzgeschehen kann nicht überschätzt werden. Das Rechnungswesen im Unternehmen wird wesentlich von Impulsen beeinflusst, für die Aufsichtsräte verantwortlich zeichnen. Das fängt bei der jährlichen Planungsrechnung an und mündet letztlich in der Feststellung des Jahresabschlusses bzw. der Billigung des Konzernabschlusses, den der Vorstand aufstellt.
Zwischen Aufstellung und Feststellung fällt die Prüfung durch Fachleute, die vom Aufsichtsrat ausgewählt und inhaltlich durch Schwerpunktsetzung gesteuert werden (Prüfungsausschuss). Große Konzerne werden ganzjährig geprüft. In dem Fall sollten Prüfer und Prüfungsausschuss besonders eng zusammenarbeiten. Das kann in der Intensität bis hin zu monatlichen Abstimmungen führen.
Die Kenntnisse des Aufsichtsrates
Das unternehmerische Geschehen mündet in den Abschluss, aber die Experten für Strategie, Markt, Produkt und Kunden finden nicht immer einen unbeschwerten Zugang zur Materie des Jahresabschlusses. Ehrlicherweise präsentiert sich die Materie auch regelmäßig etwas sperrig, und der ein oder andere erinnert sich nicht unbedingt mit Freude an einschlägige Etappen der Ausbildung. Darüber ist fast in Vergessenheit geraten, dass Jahresabschlüsse mit dem Ziel erstellt werden, gelesen und verstanden zu werden.
Dabei sollte ein Aufsichtsratsmitglied insbesondere die Anwendung diverser Bilanzierungswahlrechte zumindest im Grundsatz verstanden haben. Nur so kann es die einschlägigen Aktivitäten bei der Abschlusserstellung hinreichend würdigen und diskutieren.
Der Jahresabschluss aus konsequenter Perspektive der Anwendung
Wichtig ist es, den inhaltlichen Rahmen und die relevante Sachkompetenz genau abzustecken. Genauso wenig wie Sie Maschinenbau studieren müssen, um ein Auto zu fahren, müssen Sie Betriebswirtschaft studieren, um einen Jahresabschluss umstandslos zu interpretieren. Vielmehr geht es darum, den Jahres- bzw. Konzernabschluss schnell auf seine wesentlichen Inhalte hin zu untersuchen.
Die notwendigen Kompetenzen lassen sich in folgende vier wesentliche Themenschwerpunkte gliedern, die konsequent der Perspektive der Anwendung folgen:
- Grundlagen
Mit grundlegendem Bilanzverständnis sollten Abschlüsse auf ihre Kernaussagen und gestalterische Elemente hin untersucht werden können. - Gewinnverwendung
Die Arbeit des Aufsichtsrates schlägt auf vermeintlich unverständliche Positionen durch, die im Hinblick auf die Gewinnverwendung von erheblichem Einfluss sind, wie beispielsweise latente Steuern. - Cashflow
Jenseits der Bilanzpolitik lässt sich mit einer Cashflow-Untersuchung die Aussage eines Abschlusses wirksam verproben. - Bewertung
Insbesondere M&A-Aktivitäten sind ohne das Instrumentarium der Unternehmensbewertung nicht wirksam zu überprüfen.
Online-Seminarreihe: Bilanzwissen für den Aufsichtsrat
Diese Themen effektiv zu wiederholen und zu üben, ist in meinen Online-Seminaren möglich, die ich an verschiedenen Terminen zwischen Februar und Mai 2022 mit Directors Academy zusammen in der Seminarreihe „Bilanzwissen für den Aufsichtsrat“ ausrichte.
Die Seminare sind darauf ausgelegt, Ihnen mit wenig (wirklich wenig!) Theorie und vielen praktischen Anwendungsbeispielen anhand veröffentlichter Jahresabschlüsse die Grundlagen so zu vermitteln, dass Sie souverän diskutieren und Positionen aufbauen können. Die Methodik ist mittlerweile vielfach erprobt. Vorwissen ist keines erforderlich, Berufserfahrung hilft.
Weitere Informationen und Anmeldung
Die Termine 2022 entnehmen Sie bitte dem Veranstaltungskalender von Directors Academy